STANDARD: Finden Sie es gut, dass sich neben Alexander Wrabetz auch Richard Grasl für den Job des ORF-Generals bewirbt?
Küberl: Bei so entscheidenden Funktionen ist es wichtig, dass es mehrere Kandidaten gibt. Mir sind zwei Kandidaten offen gestanden zu wenig. Es geht ja um einen Zentralposten der Republik. Dass hier mehr exzellente Leute aufzeigen, wäre normal und wünschenswert.
STANDARD: Am Donnerstag endet die Bewerbungsfrist. Rechnen Sie mit weiteren Bewerbungen?
Küberl: Mit jedem Tag knapper zum Ende der Bewerbungsfrist sinkt die Hoffnung auf mehr Kandidaten.
STANDARD: Wie fällt ihre Bilanz zu zwei Geschäftsführungsperioden von Alexander Wrabetz aus?
Küberl: Er hat eine Reihe wichtiger Entscheidungen getroffen und Großereignisse wie die Standortfrage Küniglberg oder den Eurovision Song Contest bewältigt. Aber man muss fairerweise sagen, dass im ORF keiner allein diese großen Brocken stemmt.
STANDARD: Mit dem Antreten von Richard Grasl zerfällt das Duo Wrabetz/Grasl. Bedauern Sie das?
Küberl: Die beiden haben durchaus gemeinsam mit anderen – vor allem mit Kathrin Zechner, die dem Fernsehen enorme Impulse gegeben hat – etwas weitergebracht. Der ORF stellt schon etwas dar. Und Alexander Wrabetz kann sich davon ein Stück vom Kuchen abschneiden. Aber auch andere. Der ORF ist keine Torte, die nur aus einem großen Stück besteht. Die Achse Wrabetz/Grasl als innerer Kern des Machtgefüges hat schon viel Gutes gebracht.
STANDARD: Es wird mit einem knappen Rennen gerechnet. Es könnte auf Ihre Stimme ankommen. Wie bekommt man Ihre Stimme?
Küberl: Ich bin nur einer von 35. Ich werde mich nach dem Hearing entscheiden. Es geht ja nicht um ein Konzept für Franz Küberl, sondern um das Beste für den ORF.
STANDARD: Und was wäre das Beste, welche Punkte sind Ihnen wichtig?
Küberl: Der ORF muss Qualitätsführer sein, er muss die Themenführerschaft haben, er muss führend bleiben bei der Reichweite. Und der ORF muss wohl auch in den nächsten Jahren daran mitarbeiten, dass österreichische Identität – immer versehen mit einem Schuss Weltoffenheit – eine Rolle spielt. Wichtig ist mir, dass der ORF die Vielfalt unseres Landes widerspiegelt und der ORF mithilft, dass jene Leute, die neu nach Österreich kommen, sich auch als Teil dieses Landes verstehen. Es braucht Identifikationsfiguren, einen Alaba des ORF sozusagen. Intern muss klar kommuniziert werden, dass alle Teile des ORF gleich wichtig sind. Radio genauso wie Fernsehen genauso wie Online. Es muss auch klar sein, wie der ORF sieben Tage pro Woche rund um die Uhr in der Lage ist, sehr gute Inhalte zu liefern, die auch junge Menschen erreichen. Also auch diejenigen, die nicht nur TV schauen oder Radio hören.
STANDARD: Alexander Wrabetz kündigt dafür den Ausbau des ORF in ein Social-Media-Haus an.
Küberl: Der ORF wird hier durch das Gesetz beschränkt, da braucht es eine Ausweitung. Es geht vor allem um die Hörer, Seher und Leser des ORF. Sie müssen das, was heute State of the Art ist, bekommen. Wenn man hier Einschränkungen macht, straft man den ORF-Gebührenzahler. Aber das übersehen viele politisch Verantwortliche.
STANDARD: Das hieße eine Änderung des ORF-Gesetzes.
Küberl: Es braucht eine weitere Anpassung. Die Regierenden müssen hier umdenken. Es geht darum, für den Gebührenzahler das Optimum zu bieten. Ich gehe auch davon aus, dass man in der nächsten Periode diese unsäglichen Auseinandersetzungen zwischen Verlegerverband und ORF beilegt. Viel wichtiger wird die Frage sein, wie man es schafft, dass Dienste wie Google für Inhalte, die sie weitergeben, auch zahlen. Das muss natürlich auf EU-Ebene oder noch weiter oben geklärt werden. Schon klar, den Generaldirektor als eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht. Aber ein paar Erwartungen darf man hier schon haben, auch hier sollte ein ORF-Generaldirektor eine Idee dazu haben.
STANDARD: Wem trauen Sie diese Aufgaben eher zu, Grasl oder Wrabetz?
Küberl: Ich sehe die beiden gar nicht so weit auseinander, es wäre beiden zuzutrauen.
STANDARD: Das Faymann-Solo in "Im Zentrum" oder die Causa Hofer/Tempelberg sorgten für Kritik an der ORF-Information.
Küberl: Natürlich gibt es in der ORF-Information auch Fehler, in der Causa Tempelberg hätte der ORF gleich sagen können: Wir haben etwas übersehen. Andererseits hätte auch Norbert Hofer zuvor recherchieren können, was dort genau passiert ist. Wenn man aber das große Ganze sieht, ist das, was die ORF-Information leistet, schon recht beachtlich. Ich möchte "Eco" und "Weltjournal" hier hervorheben. Diese Sendungen werden exzellent gemacht. Warum man diese Formate nicht im Hauptabend zeigt, verstehe ich nicht. Ich verstehe auch nicht, warum es in ORF 1 nicht auch ernstere Sendungen geben soll und ORF 2 nie lustig und unterhaltsam sein darf. Ich weiß schon, dass es ein gewisses Sehverhalten gibt. Aber ein Sehverhalten kann sich auch ändern. Hier ist der ORF oft recht starr. Manchmal kommt mir die katholische Kirche flexibler vor als der ORF.
STANDARD: Richard Grasl kündigt den Ausbau des Regionalprogramms an und einen Österreich-Kanal.
Küberl: Das eine ist die gute Absicht, das andere ist die Frage nach dem Budget. Wenn man dafür Geld verwendet, muss man es wo anders abziehen. Mehr regionale Sendungen bedeuten auch mehr Journalisten, mehr Technikeinsatz, mehr Ressourcen. Die Frage ist, ob der ORF nicht insgesamt dezentraler werden sollte. Dezentralisierung könnte bedeuten, dass Landesstudios sich als Zusammenspieler und Promotoren des Gesamt-ORF sehen und sich nicht nur dem eigenen Bundesland verpflichtet fühlen. Das Ziel wäre ein Verbund, die Landesstudios könnten viel mehr kooperieren.
STANDARD: Wrabetz sieht weiter eine kaufmännische und technische Direktion vor, einen zentralen Informationsdirektor soll es unter ihm nicht geben. Grasl plant Direktionen für TV-Programm, TV-Information, Radio und Digital/Online. Wie beurteilen Sie diese Führungspläne?
Küberl: Es gibt mehr Konzentrationen auf die Generaldirektion. Beim Wrabetz hört man, dass die Information stärker in der Generaldirektion sein sollte. Grasl will zwei Direktionen als General selber führen. Ein Generaldirektor muss überlegen, wie viel er strategisch und und wie viel er operativ macht. Es gibt wahrscheinlich 17 Möglichkeiten, den ORF zu führen. Wir haben hier zwei Varianten davon. Man muss sich die Konzepte genauer anschauen, darum gibt es ein Hearing.
STANDARD: Ist das Modell eines Alleingeschäftsführers noch zeitgemäß?
Küberl: Das Gesetz sieht das so vor. Wrabetz will ja auch mehr Rechte für Redakteure und Redaktionsleiter von Mitarbeiter abwählen lassen können. Das wäre ja auch quasi eine Teilzurücklegung der Alleingeschäftsführung. Ich bin bei keiner der Überlegungen, bei der es um eine kollegialere Form geht, dagegen. Das ist ein Gebot der Zeit.
STANDARD: Immer wieder gibt es Diskussionen über eine Reform des Stiftungsrats. Auch Sie fordern hier Änderungen. Welche?
Küberl: Es soll ein formelles Präsidium geben, wie es in anderen Aufsichtsräten üblich ist. Und es wäre auch denkbar, dass etwa der Finanzen und Technik-Ausschuss – mehr Kompetenzen bekäme. Insgesamt hat der Stiftungsrat aber trotz der Größe immer wieder seine Arbeitsfähigkeit bewiesen. Verbessern kann man immer etwas.
STANDARD: Es geht auch um die schon lange geforderte Entpolitisierung des Stiftungsrates.
Küberl: Wichtig wäre ein erwachsenes Verhältnis zwischen Politik und ORF. Die Politik muss realisieren, dass es nicht nur die eigene, sondern jeweils auch die andere Perspektive gibt. Und alle sollten sich die Frage stellen: Wie viel kann man verlangen, was ist fair? Es ist auch kein erwachsenes Verhältnis, wenn hochrangige ORF-Funktionäre in Fragen, die den ORF betreffen – Beispiel Gebührenrefundierung – auf den Knien herumrutschen müssen. Das erinnert ja eher an das Verhältnis von Untertan und Kaiser. Es gibt Momente guten Ineinanderwirkens, aber es gibt auch bei Parteien Ängste. Die Angst ist immer die, ob eh einer ganz oben sitzt, der mir was bringt, wenn ich etwas brauche. (Astrid Ebenführer, 28.7.2016)