2300 Kinder wären von den Kindergarten-Schließungen des Betreibers "Alt Wien" betroffen.

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Wien – Am Freitag sollte der letzte Tag sein, an dem der Kindergarten geöffnet hat. Jitka B. (der vollständige Name ist der Redaktion bekannt, Anm.) ist schockiert, als sie am Dienstag von einer Kindergartenpädagogin darüber informiert wird. Ihre Kinder besuchen die Einrichtung in der Strohgasse im dritten Wiener Gemeindebezirk. "Wir werden vor vollendete Tatsachen gestellt", sagt sie zum STANDARD. Es habe keinerlei Anzeichen für eine plötzliche Schließung gegeben, der Kindergarten sei gut organisiert, und alles laufe zu ihrer vollen Zufriedenheit ab, sagt die berufstätige Frau.

Appell an Politik

In einem offenen Brief hat sie sich an die Öffentlichkeit gewandt. Er ist adressiert an Journalisten, Parteien und die verantwortliche Wiener Stadtregierung – inklusive Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ). B. beklagt sich darüber, dass bei der Schließung die Kinder am meisten verlieren würden. "Ungeachtet der Hintergründe der Causa der Fördergelder ersuchen wir alle Beteiligten, eine Lösung zu finden, die die Aufrechterhaltung der bestehenden Kindergärten ermöglicht", so B.

Am Montag hatte die Magistratsabteilung 10 bekanntgegeben, dass über den Privatkindergartenbetreiber "Alt Wien – Muku – Arge für multikulturelle Kindergartenpädagogik" ein Fördergeldstopp verhängt wurde. Betroffen sind 2300 Kinder und 300 Pädagoginnen. Es sei festgestellt worden, dass Fördergelder widmungswidrig verwendet worden seien, der STANDARD berichtete.

6,6 Millionen "zu Unrecht"

Die Stadt Wien hatte nach Kritik – vor allem wegen der islamischen Kindergartenbetreiber – die Richtlinien verschärft. Den Betreibern der "Alt Wien"-Kindergärten wird vorgeworfen, Subventionen, die im Rahmen der Förderung des beitragsfreien Kindergartens ausbezahlt wurden, "widmungswidrig" verwendet zu haben. Der Betreiber betonte aber, "effizient zu wirtschaften". Laut MA-10-Leiterin Daniela Clochar hat die Organisation 6,6 Millionen Euro "zu Unrecht" bekommen.

Im Ö1-Morgenjournal am Mittwoch gab Richard Wenzel vom Betreiberverein an, das Geld, um die Fördergelder zurückzuzahlen, nicht sofort aufbringen zu können. Er kritisierte die Förderpraxis der Stadt. Laut Wenzel gebe es eine bestimmte Summe pro Kind und zusätzlich einen Verwaltungsbeitrag pro Gruppe. Der sei nie aufgebraucht worden. Man habe im Lauf der Jahre an die 4,5 Millionen Euro durch "effizientes Haushalten erwirtschaftet". Dieses Geld habe man in einen neuen Kindergarten "reinvestiert". "Und dann wurde uns mitgeteilt, das sei Fördermissbrauch."

Es entspreche nicht den Richtlinien, sagt Clochar. Sie weist die Schuld der kurzfristigen Kindergärten-Schließungen von sich. Man habe vor einem halben Jahr mit den Vergleichsverhandlungen begonnen. Dafür, dass der Betreiber die Eltern und Pädagogen so kurzfristig informiert habe, könne man nichts, sagt sie zum STANDARD. Er habe noch bis Freitag Zeit, das Vergleichsangebot anzunehmen. Die MA 10 bemühe sich, den Kindern neue Plätze zu vermitteln. Wie viele bereits gefunden wurden, könne man jedoch nicht sagen.

Betreiber lenkt ein

Die zuständige Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) wird im Ö1-Radio deutlicher. Sie fordert Wenzel auf, eine seiner Immobilien zu verkaufen. Den Fördergeldbetrug könne man "nicht durchgehen lassen". Dass die Stadt Wien die Standorte übernimmt, ist für sie keine Option. Sie habe die Sache prüfen lassen, eine Übernahme sei allerdings nicht möglich, da sich beinahe alle Immobilien im Besitz von Wenzel befänden.Die Stadt bereitet auch eine Anzeige gegen Wenzel bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft vor. Die Vorwürfe sollen auf Betrug und Förderungsmissbrauch lauten. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Laut "Kurier" will Wenzel das Aus nun doch noch abwenden und für die 6,6 Millionen Euro einen Kredit aufnehmen.

Von der Opposition hagelte es Kritik. "Diese Ereignisse sind das logische Ergebnis jahrelanger Ignoranz", sagte etwa ÖVP-Obmann Gernot Blümel in einer Aussendung. FPÖ-Mandatar Dominik Nepp appellierte im "Morgenjournal" dafür, dass eine Lösung für die Kinder gefunden werden müsse wie auch dafür, den Kampf zwischen Kindergartenbetreiber und Stadt Wien nicht auf dem Rücken der Kinder auszutragen. Die Stadt habe "jahrelang geschlafen". Nepp forderte den Rücktritt von Stadträtin Frauenberger. (Rosa Winkler-Hermaden, 27.7.2016)