Politische Pathologie ergreift nun auch den Westen, nachdem sie im muslimischen Raum ganze Staaten und Gesellschaften zerstört.

Wenn tausende hier lebende Türken (davon viele österreichische Staatsbürger) durch die Straßen ziehen und in Sprechchören an Erdogan appellieren: "Sag es, und wir töten, sag es, und wir sterben!", dann ist das politische Pathologie.

Wenn bei der Inthronisierung eines lügnerischen Soziopathen wie Donald Trump die Delegierten skandieren: "Lock her up !" ("Sperr sie ein!" – nämlich Hillary Clinton); wenn ein Berater Trumps verlangt: "Shoot her for treason!" ("Erschießt sie wegen Verrats!"), dann ist das politische Pathologie.

Wenn die Facebook-Seite von H.-C. Strache und andere Foren vor Einträgen strotzen, in denen die Vergewaltigung von Flüchtlingshelferinnen, Van-der-Bellen-Wählerinnen und TV-Moderatorinnen durch Flüchtlinge empfohlen wird, dann ist das politische pornografische Pathologie.

Wir reden hier nicht von den fanatisierten Verlierertypen, die in Europa ihren Wahn vom Islam mörderisch austoben.

Wir reden vom politischen Prozess innerhalb der Wählerschaft von demokratischen westlichen Ländern mit langer Tradition von Stabilität, sozialem Frieden und Mäßigung. Wir reden von den USA, die in den Dreißigerjahren eine weit höhere Arbeitslosigkeit als Europa hatten, aber im Gegensatz zu Europa der faschistischen Versuchung widerstanden. Von denselben USA, in denen nach überzeugenden Analysen der Proto-Faschist Donald Trump eine exzellente Siegeschance hat.

Wir reden von Frankreich, Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden, Österreich und Italien, wo ein rabiater Rechtspopulismus sensationelle Erfolge erzielt; und von Russland, Polen und Ungarn, wo er bereits an der Macht ist. Wir reden von der nicht europäischen, aber europanahen Türkei, die eine Diktatur wird. Und vom uns nahestehenden Israel, das in einer rechten Sackgasse steckt. Man möge nicht glauben, dass Trump, Putin, Erdogan und die anderen sich schon mäßigen werden. Egozentrische Diktatoren brauchen ständig den immer noch stärkeren Fix.

Die Mehrheit der Gemäßigten darf sich jetzt nicht von einer (starken) Minderheit der politischen Pathologie überrumpeln lassen. "Für den Triumph des Bösen reicht es, wenn die Guten nichts tun", sagte der politische Philosoph Edmund Burke.

Das bedeutet, einfach das Naheliegende, Erprobte zu tun: Die Zivilgesellschaft muss erwachen, muss sich vernetzen, muss von ihrem "Furchtbar, aber man kann halt nix machen" herunter. Sie muss sich bewusst werden, dass sie die Mehrheit ist und dass man doch etwas machen kann: die sozialen Medien genauso entschlossen nutzen wie die politische Rechte; den Mitte-Parteien Feuer unter dem Hintern machen; neue Bewegungen (ob Frau Griss oder demokratische Linke) unterstützen; notfalls aufstehen und den ganzen paranoiden, hasserfüllten, menschenfeindlichen, selbstzerstörerischen Shit, der uns da als Erlösung angedreht wird, aktiv bekämpfen. (Hans Rauscher, 27.7.2016)