Die Landesregierung hat bei den Gemeindefusionen zu wenig mit der Bevölkerung kommuniziert – darüber herrscht heute Einigkeit. Die Neuauflage der Koalition unter Landeshauptman Hermann Schützenhöfer (ÖVP) und Michael Schickhofer (SPÖ) ist nun auf dem Weg, diesen Fehler zu wiederholen.

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Graz – Es mag da und dort durchaus stimmen, wovon der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) in letzter Zeit immer wieder schwärmt. "Grad, dass sie mich nicht umarmen, die Bürgermeister", erzählt er gern. "Umarmen" nämlich dafür, dass er und sein ehemaliger Regierungspartner von der SPÖ, Franz Voves, die Gemeindezusammenlegungen durchgezogen haben. Sie seien zwar früher auch dagegen gewesen, nun aber, im zeitlichen Abstand, hätten sie erkannt, dass die Gemeindefusionen ein Segen seien, habe ihm so mancher Ortschef gebeichtet.

Kein Zweifel: Einige Gemeinden haben profitiert, andere exekutierten den politischen Befehl zur Fusion aber nur widerwillig und rächten sich für das "Drüberfahren" bei der folgenden Landtagswahl 2015. Die Landesregierung hatte damals – darüber herrscht heute in den Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP durchaus Konsens – mit der Bevölkerung zu wenig kommuniziert und es verabsäumt, die Betroffenen für diese weitreichende Gemeindereform mitzunehmen.

Man hatte es nicht für notwendig gehalten, auch einen Kommunikations-Masterplan zu erarbeiten, um die Gemeindebewohner von der Sinnhaftigkeit und der zum Teil ökonomischen Notwendigkeit von Fusionen zu überzeugen. Ein schwerer politischer Fehler, wie sich herausstellte.

Nur Teil der Spitäler bleibt bestehen

Die Neuauflage der rot-schwarzen Landeskoalition ist jetzt auf dem Weg, diesen Fehler ein zweites Mal zu begehen. Das Land steht vor einem gewaltigen Umbruch der Spitalslandschaft, das gesamte Gesundheitssystem wird im Kern umgekrempelt und neu geordnet. In eine paar Jahren wird nur noch ein Teil der Spitäler in der jetzigen Form bestehen, etliche Standorte werden nicht mehr gebraucht oder in Spezialzentren – etwa für Akutgeriatrie – umgewandelt.

Das Bundesland muss nicht nur wegen der äußerst prekären Budgetsituation handeln, auch die neuen Realitäten in der Gesundheitsversorgung, die neuen Ärztearbeitszeiten, die Spezialisierung in der Medizin, die demografischen Veränderungen, die Abwanderung in die Städte und die Ausdünnung der ländlichen Gebiete verlangen andere medizinische Versorgungsmodelle. Neue Spitalsverbände werden entstehen, ebenso wie Spezialkliniken, Zentren für die Primärversorgung auf dem Land und ambulante fachärztliche Zentren. In vielen ländlichen Regionen wird die Versorgung dadurch verbessert werden können.

Spezialkliniken

Das heißt in der Praxis, dass bereits in den nächsten Monaten über die Zukunft der vorhandenen Spitäler entschieden werden muss. Ein Aspekt in diesem Zusammenhang: Wenn etwa in einem Spital nur einmal im Monat ein Blinddarm operiert wird, ist es medizinisch sicher nicht sinnvoll – und auch ökonomisch nicht haltbar –, die Vollchirurgie aufrechtzuerhalten, sondern naheliegend, nur noch eine Notversorgung einzurichten und die Chirurgiefälle in Spezialkliniken mit hohen Fallzahlen zu verlagern. Das ist argumentierbar.

Aber wie schon bei den Gemeindefusionen wird die Bevölkerung seit Monaten im Unklaren gelassen, Teilinformationen über Spitalsschließungen machen als Gerüchte die Runde, in den Bezirken rücken bereits Bürgermeister und Bevölkerung, unterstützt von den Oppositionsparteien im Landtag, zur Rettung der Spitäler und in erster Linie zur Erhaltung "ihrer" Chirurgie aus. Weitreichende Protestkundgebungen werden angekündigt, man werde politischen Druck erzeugen, heißt es. Man wolle nicht "Bürger zweiter Klasse" sein, wie es jetzt symptomatisch am Spitalsstandort Voitsberg heißt, wo die Chirurgie zur Diskussion steht.

Reform droht zu scheitern

Dieses Szenario der aufgebrachten Bevölkerung und der wehrhaften Bürgermeister wurde bereits bei den Gemeindezusammenlegungen durchgespielt. Es hat in der Landespolitik aber noch kein Déjà-vu-Erlebnis ausgelöst. Auch diesmal verabsäumt es die Regierung, eine breite und konsistente Informationskampagne, auch über soziale Medien, zu organisieren, um dieses wirklich große und notwendige Reformprojekt verständlich zu vermitteln.

In der Chefetage der Landesspitalsholding, aber auch in der Landesregierung wird vereinzelt jedenfalls befürchtet, dass die Spitals- und Gesundheitsreform aufgrund akuter Kommunikations-Inkompetenz am Widerstand der Bevölkerung und der Bürgermeister noch scheitern könnte. (Walter Müller, 28.7.2016)