Anfang Juni hat Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) mit dem Vorschlag aufhorchen lassen, die EU möge sich an Australien ein Vorbild nehmen und Flüchtlinge auf Inseln internieren, um sie so an einer Weiterreise aufs europäische Festland zu hindern. "Wer auf einer Insel wie Lesbos bleiben muss und keine Chance auf Asyl hat, wird eher bereit sein, freiwillig zurückzukehren, als jemand, der schon eine Wohnung in Wien oder Berlin bezogen hat", hatte Kurz im Interview mit der "Presse" gesagt – und damit auch außerhalb Österreichs empörte Reaktionen hervorgerufen.

Eine dieser Reaktionen kam aus dem Einflusskreis des Außenministers, wie nun dem STANDARD bekannt wurde: Ein mit 24. Juni datiertes Schreiben des österreichischen Botschafters in der australischen Hauptstadt Canberra, Helmut Böck, weist das Außenministerium auf verheerende Zustände in den Internierungslagern auf Nauru und Manus Island hin.

"Ausmaß niederschmetternd"

Das an die für Migration und Flucht zuständige Abteilung IV.2 adressierte Schreiben, das dem STANDARD vorliegt, fasst jene Eindrücke zusammen, die ein Inspektorenteam des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) bei einer Mission auf den beiden Inseln gewann. "Das Ausmaß an psychosomatischen/psychiatrischen Krankheitsbildern unter den Lagerinsassen sei niederschmetternd", heißt es hier. Akte von Selbstverletzung bis hin zum Suizidversuch stünden in den Lagern "auf der Tagesordnung".

Wobei betont wird, dass die Lagerinsassen diese Krankheitsbilder erst auf den Inseln entwickelt hätten, die Symptome seien eine Folge der Perspektivlosigkeit. "Die Menschen haben das Gefühl, vergessen worden zu sein", heißt es. Die durchschnittliche Verweildauer auf den Inseln liege bei drei Jahren – und das, obwohl die Asylanerkennungsquote der Betroffenen in Australien bei "weit über 80 Prozent" liege.

Das Schreiben schließt mit einem – fett gedruckten – Zitat des UNHCR-Regionalvertreters: Die einzige Lösung, um für die Insassen der Lager eine Verbesserung zu schaffen, sei, "diese Menschen aus dieser Umgebung herauszuholen". Alles andere sei "höchstens kosmetischer Natur". (Maria Sterkl, 1.8.2016)