Bei der Geiselnahme im Norden Frankreichs wurde ein Priester getötet. Die beiden mit Messern bewaffneten Geiselnehmer wurden von den Einsatzkräften erschossen.

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Ein Großaufgebot an Einsatzfahrzeugen sperrte den Tatort großräumig ab.

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In dieser Kirche fand die Geiselnahme statt.

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Von links: Der Bürgermeister von Saint-Étienne-du-Rouvray, Hubert Wulfranc, Frankreichs Präsident François Hollande und Innenminister Bernard Cazeneuve sprechen vor Ort mit der Presse.

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Hollande und Cazeneuve mit dem Einsatzleiter der Raid in Saint-Étienne-du-Rouvray.

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Zugang zur Kirche ist auch am tag nach dem Anschlag gesperrt.

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  • Bei einer rund einstündigen Geiselnahme wurde ein 84-jährigen Priester ermordet, mehrere Personen wurden verletzt.
  • Die beiden Geiselnehmer wurden von den Einsatzkräften erschossen.
  • Ein Geiselnehmer trug nach Beugehaft seit März eine Fußfessel. Er durfte seine Wohnung nur vormittags kurzzeitig verlassen. Den Freigang nutze er offenbar zur Tat.
  • Die Attentäter hätten sich zum "Islamischen Staat" (IS) bekannt, der die Tat auch für sich beansprucht.
  • Ein Verdächtiger wurde festgenommen.

Es war mitten in der Messe, als die "Barbarei" – wie später viele sagten – über Saint-Étienne-de-Rouvray hereinbrach. Zwei Männer drangen mit Messern in die Kirche ein und nahmen die fünf Anwesenden als Geiseln. Eine Person konnte entkommen und die Polizei alarmieren. Die Einsatztruppe BRI aus dem nahen Rouen bezog auf dem Vorplatz Stellung. Sie erhielten den Feuerbefehl, als die Attentäter aus der Kirche traten und "Allahu akbar" riefen. Beide Männer starben im Kugelhagel.

Zuvor hatten die Täter dem 84-jährigen, im Ort gut bekannten Hilfspriester Jacques Hamel die Kehle durchschnitten. Die geflohene Augenzeugin gab später zu Protokoll, sie hätten die Tat gefilmt. Eine weitere Geisel wurde mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Spital gebracht. Im Verlauf des Tages nahm die Polizei den 16-jährigen Bruder eines der Attentäter fest. Er hat nach Angaben des französischen Innenministers aber wohl nichts mit dem Angriff zu tun. Dabei wolle er aber vorsichtig sein, sagte Innenminister Bernard Cazeneuve am Mittwoch dem Radiosender "Europe 1". "In den kommenden Stunden werden wir mehr wissen."

Innenpolitischer Druck

Präsident François Hollande, der selbst aus der Normandie-Metropole Rouen stammt, sowie Innenminister Bernard Cazeneuve waren nur zwei Stunden später zur Stelle. Sie konnten allerdings nicht viel mehr machen, als inmitten eines Kamerapulks durch die leeren Straßen des Ortes zu gehen. Vor allem Cazeneuve steht seit dem Anschlag von Nizza – wo ein Lastwagenfahrer am 84 Menschen getötet und 300 verletzt hatte – innenpolitisch unter großem Druck: Die nationale Polizei soll die Zufahrt zum Feuerwerk des Nationalfeiertags ungenügend abgeschottet haben. Ermittlungen und Klagen sind anhängig.

Vor der Kirche von Saint-Étienne-de-Rouvray fackelten die Polizisten am Dienstag nicht lange. Hollande sprach sofort von einem "abscheulichen Anschlag der Terrormiliz IS" und erklärte: "IS hat uns den Krieg erklärt. Wir müssen diesen Krieg führen, wobei wir das Recht befolgen, weshalb wir eine Demokratie sind." Auch Premierminister Manuel Valls sprach von einem "Krieg der Religionen".

19-Jähriger Täter

Kurz darauf übernahm der IS über seine Agentur Amaq die Verantwortung für den Anschlag. Bei einem der Täter soll es sich um den 19-jährigen Adel K. handeln, der aus der Normandie stammt und 2015 auf seiner Reise nach Syrien von den türkischen Behörden festgenommen worden war. In Frankreich verbrachte er danach ein Jahr lang in Beugehaft, bevor ihn ein Untersuchungsrichter im März freigelassen hat.

Die Staatsanwaltschaft rekurrierte erfolglos gegen diesen Entscheid. Mit einer elektronischen Fußfessel versehen, wohnte Adel K. bei seinen Eltern in Saint-Étienne-de-Rouvray. Der zweite Mann wurde bisher nicht offiziell identifiziert.

Das ganze Normandie-Département Seine-Maritime gilt als Hochburg radikalisierter Islamisten, sollen doch aus dem Großraum Rouen 70 in den Jihad gereist sein. Der Bekannteste ist Maxime Hauchard, ein Konvertit, der eine unauffällige Jugend verlebte, bevor er nach Syrien reiste. Im IS rasch aufgestiegen, ließ er sich bei der Enthauptung westlicher Geiseln filmen.

Rechnet man die Zahl der Radikalen aus Rouen auf Frankreich hoch, kommt man in etwa auf die Zahl, die ein Geheimdienstbericht kürzlich genannt hatte – nämlich 8.250 Personen der Radikalenkartei "S". Seine-Maritime scheint deshalb, was die Häufigkeit radikalisierter Islamisten anbelangt, keine Ausnahme zu sein, sondern beunruhigender französischer Alltag.

Mehr Schutz für Kirchen

Der Vatikan verurteilte die "barbarische" Tat und ließ verlauten, Papst Franziskus sei vom Schmerz und dem Grauen dieser "absurden Gewalt" erschüttert. Die Bischofskonferenz hatte sich schon früher um die katholischen Messebesucher gesorgt. Im April 2005 war ein Anschlag auf eine Kirche im Banlieue-Ort Villejuif im letzten Moment vereitelt worden; der Täter, der zuvor eine Frau umgebracht hatte, sitzt in Haft.

Seither werden exponierte Kultusstätten besser geschützt. Vor der Kathedrale Notre-Dame in Paris wird zum Beispiel jede Handtasche durchsucht, was bei der Sonntagsmesse lange Warteschlangen bewirkt. Alle 50.000 Kirchen Frankreichs zu schützen scheint aber schlicht unmöglich. (red, Stefan Brändle aus Paris, 26.7.2016)