"Pokémon (Rote Edition)" (Gameboy) ist 1996 in Japan und 1997 in angepasster Fassung in Europa und den USA erschienen. Sie wurde später als "Feuerrote Edition" neu aufgelegt.

Screenshot: Pokémon (Rote Edition)
Screenshot: Pokémon (Rote Edition)
Screenshot: Pokémon (Rote Edition)
Screenshot: Pokémon (Rote Edition)
Screenshot: Pokémon (Rote Edition)
Screenshot: Pokémon (Rote Edition)

Die Pokémon sind los. Kleine, virtuelle "Taschenmonster" erobern derzeit die Herzen vieler Smartphone-Besitzer im Sturm. Beinahe jeder, so scheint es, ist mittlerweile auf der Jagd nach Pikachu und seinen bunten Freunden aus der digitalen Fauna. Zwischen 145 und 149 sind es derzeit, die man in "Pokémon Go" fangen können soll. Insgesamt existieren in dem Spiel 151 verschiedene virtuelle Tiere.

Insgesamt 151 Monster gab es auch, als Nintendo vor 20 Jahren den Stein ins Rollen brachte. Während es in Japan zum Start ein rote, grüne und später eine blaue Edition gab, waren Rot und Blau die beiden Start-Titel in Europa und den USA. Der GameStandard hat mal wieder die Zeitmaschine angeworfen und sich in der roten Edition ins Abenteuer gestürzt.

Screenshot: Pokémon (Rote Edition)

Käfersammler entwickelt Spieleklassiker

Doch bevor unser virtuelles Alter Ego in Pallet Town (in der deutschen Fassung: Alabastia) startet, kurz zum Konzept der Pokémon-Welt. Ihr Schöpfer ist Satoshi Tajiri, Chef des Unternehmens Game Freak und guter Freund von Nintendo-Legende Shigeru Miyamoto. Als Kind sammelte und untersuchte er leidenschaftlich Insekten, was ihn letztlich auch auf die Idee zur Entwicklung seines Spieluniversums brachte. Sein Kernanliegen war es, diese Faszination an Kinder weiterzugeben.

Die Spielwelt an sich lehnt sich geografisch an Japan an. Die rote Edition spielt in einer Region namens Kanto, die sich auch in Japan findet und im Spiel geografisch auch grob abgebildet ist. Weitere Gemeinsamkeiten mit der Jetztzeit halten sich allerdings in Grenzen.

"Pokémon" bietet eine bunte Mischung aus Zukunftstechnologien und technologischer Rückständigkeit, magischen und mythischen Elementen. Im Fokus ihrer menschlichen Bewohner stehen die Monster verschiedener Arten, die in vielen Aspekten des Alltags eine Rolle spielen. Sie sind Haustiere, Leibwächter, Arbeitshelfer, Transportmittel und gleichsam auch bedrohliche Wildnisbewohner. Der wohl angesehenste Beruf ist jener des Pokémon-Trainers, der sich mit anderen in Arenen misst, mit dem Ziel, zum Besten seines Standes aufzusteigen.

Screenshot: Pokémon (Rote Edition)

Der Traum vom Trainerdasein

Das ist auch die Vorgabe von "Schneck" (das "erl" fiel der Limitierung auf sieben Zeichen zum Opfer), der als junger Bursche sein Zuhause verlässt und in die Welt loszieht. Sein zweiter Auftrag ist es, dem berühmten Monsterexperten, Professor Oak, dabei zu assistieren, ein Verzeichnis aller Monster anzulegen. Dazu erhält er von ihm nicht nur ein "Pokédex" als vollautomatisches Lexikon, das selbständig Einträge beim Fang eines Pokémon anlegt, sondern auch sein erstes eigenes Tierchen.

Während in der TV-Serie Pikachu zum wertvollsten Begleiter der Hauptfigur Ash Ketchum wird, bietet die erste Generation der Spiele drei Pokémon zur Auswahl: Den Feuerdrachen Glumanda, den Pflanzensaurer Bisasam und die Wasserschildkröte Schiggy. Unser Trainer Schneck entscheidet sich für das grüne Gemüsereptil, das fortan unter dem Namen "Ogerl" an seiner Seite kämpft. Professor Oak hat auch einen überambitionierten Neffen, wir taufen ihn "Toni", der fortan mit uns um den Aufstieg in die höchsten Ränge der Trainerschaft wetteifert. Namensähnlichkeiten mit bekannten heimischen Ex-Fußballspielern sind übrigens purer Zufall ;)

Screenshot: Pokémon (Rote Edition)

Zug um Zug zum Monsterfang

Im Grünland nördlich von Pallet Town können wir auch gleich unsere ersten Neuzugänge in die Monstersammlung verzeichnen: Rattata und Taubsi, zwei der am öftesten anzutreffenden Vertreter (auch in "Pokémon Go"). Gefangen werden Monster, in dem man einen Pokéball nach ihnen wirft. Das Hightech-Gadget versucht, das Monster quasi als eine Art Datenstrom einzufangen.

Damit das gelingt, sollte das wilde Pokémon allerdings zuerst geschwächt werden, was einen Kampf erfordert. Dabei treten die Monster stets Eins-gegen-Eins an. Rundenweise wählt man Attacken oder nutzt Items, bis das wilde Pokémon möglichst wenige Lebenspunkte hat und idealerweise auch anderweitig beeinträchtigt ist – etwa durch Paralyse oder Schlaf. Dabei lässt sich stets das jeweils kämpfende Monster austauschen, sofern man noch andere im Gepäck hat.

Screenshot: Pokémon (Rote Edition)

Anlaufstelle Pokécenter

Maximal sechs volle Pokébälle können Schneck und seine Trainerkollegen mitführen. Fängt man weitere, werden diese automatisch an "Jemandes PC" transferiert. Auf diesem kann in jedem Pokécenter zugegriffen werden. Diese wiederum sind "Versorgungsgebäude", die in jeder Stadt und auch manchen anderen Orten stehen.

Dort lassen sich die mitgeführte Monsterbande neu zusammensetzen, das Inventar managen und vor allem auch angeschlagene Pokémon wieder vollständig heilen. Hier lassen sich auch via Linkkabel der Tausch und Kämpfe mit anderen Spielern initiieren. In den meist angrenzenden "Pokémarts" wiederum gibt es diverse Gegenstände – Heiltränke, Gegengift, Pokébälle – zu kaufen.

Verliert man einen Kampf – sprich: das letzte aktionsfähige Monster geht in die Knie – erleidet der Held einen Blackout und erwacht wieder vor dem letzten aufgesuchten Pokémoncenter mit seinen frisch aufgepeppten Pokémon.

Screenshot: Pokémon (Rote Edition)

Von Supernerds und anderen Gegnern

Zu tun bekommt man es nicht nur mit wilden, fangbaren Tieren, sondern auch mit anderen Trainern. Diese stehen einerseits in der Landschaft herum und leiten einen Kampf ein, sobald man sich nähert, oder erwarten in Arenen die Ankunft des Spielers. Wer sich letztlich am Indigo-Plateau mit den Allerbesten messen möchte, muss zuerst eine Rundreise unternehmen und sämtliche Arenameister schlagen.

Die Gegner sind dabei oft auf einen Pokémontyp spezialisiert. "Bug Catcher" – hier hat sich Tajiri wohl auch selbst ein kleines Denkmal gesetzt – etwa setzen auf insektenartige Monster, "Supernerds" wiederum bedienen sich roboterartier Elektrowesen. Da jeder Pokémontyp nach einem Schere-Stein-Papier-Prinzip gegen andere Arten besonders effizient oder schwach ist, lässt sich das in den taktischen Kämpfen nutzen. Trainerkämpfe gehen immer bis zum bitteren Ende. Es gibt keine Fluchtmöglichkeit, ebenso kann man anderen Monsterfängern ihre Tiere nicht per Pokéball stibitzen.

Screenshot: Pokémon (Rote Edition)

Langfristige Planung, harte Arbeit

Generell empfiehlt es sich, ein breit gefächertes Sortiment als "Stammformation" hochzuleveln. Man kann zwar auch sehr weit kommen, in dem man ausschließlich sein Start-Pokémon in die Schlacht schickt, stößt aber in der Endphase des Spieles dann aber auf unüberwindbare Hürden. Das Sammeln von Erfahrungspunkten über Kämpfe in der Wildnis ist allerdings ein bisweilen mühsamer Prozess. Nach über fünf Stunden Spielzeit hatten Schneck und Ogerl immerhin zwei Arenamedaillen vorzuweisen.

Umso schöner, wenn ein Pokémon dann nach harter Arbeit einen wichtigen neuen Angriff erlernt oder sich weiterentwickelt. Fast alle Monster verfügen über eine oder zwei Entwicklungsstufen, die mit dem Erreichen eines gewissen Levels verbunden sind. Es gibt allerdings Ausnahmen. Manche Pokémon transformieren sich nur mit Hilfe bestimmter Gegenstände.

Um diesen Aufstieg in den Trainerolymp herum entspinnt das erste "Pokémon" auch eine Handlung. Das auch aus der TV-Serie bekannte "Team Rocket" avanciert dabei als Verbrecherorganisation zur sinistren Bedrohung der Welt. Doch mehr sei an dieser Stelle nicht verraten.

Screenshot: Pokémon (Rote Edition)

Aufstiegsambitionen

Dem 20 Jahre alten Spiel lassen sich auch heute noch viele Qualitäten bescheinigen. In manchen Punkten allerdings gibt es aber auch Grund zur Klage, wenn man den Schleier der Nostalgie lüftet.

Was dieses Spiel beherrscht, ist es, dem Newcomer-Trainer das Gefühl zu geben, auf ein großes Abenteuer zu gehen und etwas erreichen zu können. Der "From Zero to Hero"-Aspekt ist vor allem für Rollenspiele mit offener Welt (als Musterbeispiel seien hier etwa "Gothic" oder neuere Titel wie "Skyrim" genannt) wesentlich. Denn er ist Antrieb dafür, die Spielwelt zu erforschen und in sie einzutauchen.

Offene Welt und Sammelwut

Und trotz aller Limitationen, die ein System wie der Gameboy naturgemäß mit sich bringt, vermittelt "Pokémon" den Eindruck, fast alles machen zu können. Und das, obwohl viele Figuren eigentlich reine Statisten sind, die stets das Gleiche sagen, wenn man mit ihnen interagiert und es keine Entscheidungen gibt, die nachhaltigen Einfluss auf die Welt hätten. Eine Rolle spielt dabei vielleicht auch, dass man ob der simplen Grafik gar keine andere Wahl hat, als die Fantasie mehr spielen zu lassen, als man es bei vielen modernen Titeln muss.

Hinzu gesellt sich der Sammelaspekt. Man ärgert sich, wenn einem ein selteneres Pokémon über den Weg läuft und man gerade keinen Pokéball zur Hand hat. Anno dazumal, so die eigene Erinnerung nicht täuscht, waren auch wirklich viele Spieler motiviert, ihre Sammlung möglichst zu vervollständigen. Sie gingen sogar soweit, sich tief mit der Technik hinter dem Game auseinanderzusetzen, um einen Bug zu finden, mit dem man das legendäre Pokémon "Mew" fangen konnte – was vom Spiel eigentlich gar nicht vorgesehen war.

Das hat sich mit den neueren Ausgaben der Reihe auch nicht geändert. Diese Motivation ist auch wichtig für den kommerziellen Erfolg der Games. So unterschieden sich die rote und blaue Edition von "Pokémon" nämlich nur in der Häufigkeit des Auftretens mancher Monster. Manche kamen überhaupt nur in einem der beiden Games vor.

Screenshot: Pokémon (Rote Edition)

Rostige Stellen

Wo Licht ist, gibt es auch Schatten. Diese bestehen aus technischen Limitationen, aber auch problematischem Gamedesign. Das Monster- und Inventarmanagement über die Pokécenter abzuwickeln ist ein frustrierend langwieriger Prozess. Auch dass bei Standardaktionen wie der Heilung der Pokémon stets der gleiche Dialog auftaucht und nicht übersprungen werden kann, nervt. Überhaupt würde die Menüführung nach heutigem Kenntnisstand über Interfacedesign in dieser Form wohl nicht mehr umgesetzt werden.

Die akustische Untermalung ist, für ein Gameboyspiel, recht abwechslungsreich. Für heutige Verhältnisse ist das allerdings keine Messlatte mehr. In Zeiten, wo Spiele oft einen Soundtrack mit aberdutzenden Stücken mitbringen, kann das "Pokémon"-Original nicht mehr mithalten.

Zwar haben Städte und viele Orte ihr eigenes, liebevoll komponiertes Hintergrundlied (etwa der Turm in Lavender Town!), allerdings verbringt man dort jeweils so viel Zeit, dass selbst der Retrocharm des Stereo-Synthesizers ihre Penetranz irgendwann nicht mehr wettzumachen vermag. Das Abdrehen des Sounds kann zwar Atmosphäre kosten, schont aber zumindest die Batterien.

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In Würde gealtert

Trotzdem wird dieser erste Ausflug mit Schneck und Ogerl fortgesetzt werden. Die erwähnten Defizite täuschen nicht darüber hinweg, dass die ersten Spiele der Reihe in Würde gealtert sind. Dem Hype von heute liegt letztlich ein oft verkannter Meilenstein der Spielegeschichte zugrunde.

"Pokémon Go": Fernab des Originals

Zeit, einen Bogen ins Hier und Jetzt zu spannen. Mit "Sonne" und "Mond" erscheinen heuer zwei neue Editionen der "Pokémon"-Saga. Während diese weiter exklusiv Nintendos eigenen 3DS-Handhelds vorbehalten bleiben, stellt "Pokémon Go" den ersten ernsthaften Vorstoß ins Smartphone-Gaming dar.

Doch wie viel vom Original steckt eigentlich in der Handy-App? Die Antwort: Abseits von Name, den Figuren und der damit verbundenen Nostalgie wenig. Computercharaktere gibt es abseits der Monster nicht, auch eine Handlung – wie man sie etwa in "Ingress" findet – fehlt. Das Kampfsystem wurde auf ein Reaktionsspiel reduziert, dessen einzige Gemeinsamkeit mit den Runden-Fights die artspezifischen Verwundbarkeiten der kleinen Kreaturen sind.

Alles andere wurde entweder komplett umgekrempelt, massiv simplifiziert oder komplett gestrichen. Andere Elemente, wie das Tauschsystem, sollen nachgeliefert werden. Puristen dürften sich mit Grauen abwenden, allerdings macht dieses Konzept "Pokémon Go" schnell zugänglich. Während die Arenakämpfe auf Dauer wohl Powergamern vorbehalten bleiben, scheint der Sammeltrieb voll geweckt worden zu sein. Angesichts dessen, dass das Spiel die Gruppenbildung in- und außerhalb der drei konkurrierenden Teams fördert, liegt der Verdacht nahe, dass es sich eigentlich um ein gamifiziertes Social Network und weniger ein klassisches Spiel handelt.

Alternativen: Pokémon-MMOs

Freilich geht es auch anders, wie ambitionierte Fans zeigen. Sie betreiben schon seit einigen Jahren Projekte wie das "PokéMMO", "Pokémon: Dawn of Darkness" und "Pokémon Online". Dort findet sich im Wesentlichen das klassische Spielerlebnis, umgelegt auf persistente Online-Welten.

Wer mit der offiziellen Umsetzung für Android und iOS also nichts anfangen kann und nicht darauf warten will, dass Nintendo eine Oldschool-Alternative veröffentlicht, kann dort seine virtuelle Karriere als Monstertrainer beginnen. (Georg Pichler, 24.07.2016)