Miriam Fussenegger, zweitjüngste Buhlschaft in der Geschichte des "Jedermann".

Foto: Salzburger Festspiele / Karl Forster

Salzburg – Es ist ein wenig wie beim Zahnarzt. Miriam Fussenegger ordiniert einen Tag lang auf der Presseterrasse der Salzburger Festspiele, Journalisten kommen und gehen im Stundentakt. Schmerzhaft ist es für beide Seiten eher nicht, wenngleich sich der Abwechslungsreichtum bei Fragen zu einer Vierzig-Sätze-Rolle vermutlich in überschaubarem Rahmen hält.

Ihr Salzburg-Debüt gab sie bereits im Vorjahr als Lucy Brown in Mackie Messer, einer eher kontroversiell kritisierten Version der Dreigroschenoper.

Dieses Jahr aber sei Salzburg "Aufregung und Herzklopfen und Erwartung und Neugierde". Denn nun ist die junge Schauspielerin, die bisher eher in TV-Serien aufgefallen ist, im Auge des sommerlichen Theatertaifuns angekommen – nach Grete Zimmer im Jahr 1946 als zweitjüngste Buhlschaft in der Geschichte des Jedermann.

Und, ja, sie hat den Salzburger Dauerbrenner natürlich vorher schon gesehen, auf DVD in der Schule. Da spielte Peter Simonischek den Jedermann und Veronica Ferres die Buhlschaft. Vor fünf Jahren hat sie auf dem Domplatz die Hauptprobe mit Birgit Minichmayr und Nicholas Ofczarek besucht. Aber "die wurde abgebrochen, weil es zu regnen begann".

STANDARD: Haben Sie, wenn Sie sich auf die Rolle vorbereiten, Vorbilder?

Fussenegger: Man kann sich immer etwas klauen, das ist völlig legitim. Ich kenne einige Kolleginnen und Kollegen, die offenlegen, dass sie das tun. Ich glaube, das ist nichts, wofür man sich schämen muss. Eins zu eins kopiert man es eh nicht. Andererseits muss ich mich mit Vorbildern zurückhalten, weil ich sofort merke, dass es meine Fantasie blockiert und ich mich festlege. Ich liebe den Probenprozess, dieses vorsichtige Herantasten bis zur Aufführung.

STANDARD: Viele Schauspieler sagen, die erste Probe sei das Schrecklichste. Stimmen Sie dem zu?

Fussenegger: Das stimmt. Das Schrecklichste sind die Leseproben. Man spielt noch nicht wirklich, ist noch nicht körperlich. Trotzdem wird manchmal erwartet, dass man bereits konkrete Vorstellungen zu der Rolle hat. Aber ich kann schwer vorentwickeln, ehe ich nicht auf der Bühne war. Doch dann ist es schon magisch, wenn man mit dem vorerst noch unbekannten Ensemble während der Proben so eng zusammenwächst. Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen wird man von einer Art Mikrokosmos absorbiert.

STANDARD: Wie geht es Ihnen mit Ihrem Jedermann Cornelius Obonya, der ja schon seit 2013 die Titelrolle spielt?

Fussenegger: Ich habe das Gefühl, er erdet mich. Er ist der Ruhepol. Ich empfinde ihn als sehr präsenten Kollegen.

STANDARD: Als das Rollenangebot kam: Hatten Sie Bedenken, oder haben Sie gleich zugesagt?

Fussenegger: Das war wirklich überwältigend, damit rechnete ich nicht. Ich dachte, das Einzige, was dagegenspräche, wäre Angst. Doch das sollte kein ausschlaggebender Grund sein. Diesen Nervenkitzel zu erleben, das wollte ich mir einfach schenken.

STANDARD: Wie aktuell ist dieses katholische Schuld- und Sühnestück heute noch?

Fussenegger: Man kann es vom Katholischen befreien und abseits der Religion betrachten. Wir sind Menschen, unsere Lebensführung ist manchmal fehlerhaft. In der Einfachheit ist die Erkenntnis total berührend, dass immer die Möglichkeit zur Besserung und Läuterung besteht. Und dass die Buhlschaft den Jedermann liebt, würde dem ja nicht widersprechen, dass sie ihn nicht in den Tod begleitet.

STANDARD: "Das Sterben des reichen Mannes" als Unterhaltung für reiche Leute: Denkt man beim Spielen das Festspielpublikum mit?

Fussenegger: Ja natürlich. Es wird dem Publikum oft vorgeworfen, es schaue sich den Jedermann unreflektiert an. Aber wer weiß, was in den Köpfen der Zuseher vorgeht während der Vorstellung? Oder wenn sie nach Hause gehen? Ich verstehe die Assoziation, Reichtum mache die Leute schlecht, sowieso nicht. Wir kennen den Großteil unseres Publikums nicht, spielen aber ein Stück, welches jeden Menschen betrifft. (Andrea Schurian, 22.7.2016)