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Viel zu erklären: Malaysias Premier Najib Razak.

Foto: Reuters

Kuala Lumpur / Wien – Es geht um gigantische Summen, um 3,5 Milliarden verschwundene Dollar, um Luxuswohnungen in New York, London und Beverly Hills, Privatjets, Van-Gogh-Gemälde. Und nun ist der riesige Korruptionsskandal um die staatliche malaysische Investmentgesellschaft 1 Malaysia Development Berhad (1MDB) um eine weitere Facette reicher. Denn eine Anklage des US-Justizministeriums nennt einen "Malaysian Official 1" als einen der Hauptverdächtigen. Die wahre Identität des Mannes gibt das Papier nicht preis. Dafür gibt es offenbar diplomatische Gründe. Denn der Genannte hat in vielen biografischen Details auffallende Ähnlichkeit mit dem mächtigsten Mann des südostasiatischen 30-Millionen-Einwohner-Staates: Premier Najib Razak.

Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass der Regierungschef im Zusammenhang mit dem Skandal genannt wird. Aber es ist die erste Anklageschrift einer ausländischen Behörde, die derart konkrete Hinweise auf die persönliche Verantwortung Najibs gibt. Das könnte nun nicht nur für den Premier zum politischen Problem werden, sondern auch für die US-Regierung. Washington sieht in Malaysia einen wichtigen Verbündeten in der Region, und vor allem auch einen bedeutenden Partner im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus.

Joint Ventures und "The Wolf of Wall Street"

Bisher war es Najib freilich immer gelungen, den zahlreichen Vorwürfen politisch auszuweichen. Und zum Verdacht hatte es schon oft Anlass gegeben, seitdem die ersten Details zu Unregelmäßigkeiten im Staatsfonds bekannt wurden. 1MDB galt als eines der wichtigsten Projekte der neuen Regierung, als Najib im Jahr 2009 Premier Malaysias wurde. Offizielles Ziel war es, mit strategischen Investitionen in Schlüsselindustrien bestimmte Industriesparten und Joint Ventures ins Land zu holen. Das scheiterte. Im Jahr 2014 stand der Fonds vor einem Schuldenberg von elf Milliarden Dollar. Mindestens 3,5 Milliarden sind vorerst spurlos verschwunden. Bei ihnen besteht der konkrete Verdacht auf Korruption.

Mehrere Staaten, darunter die Schweiz und sogar Singapur, haben mittlerweile Konten gesperrt, nach einer umfangreichen Recherche des "Wall Street Journal" im vergangenen Jahr hatte es erstmals eine konkrete Spur zu Najib gegeben. Auf dessen Privatkonto waren vor der Wahl im Jahr 2013 700 Millionen Dollar aufgetaucht, deren Herkunft er später gegenüber heimischen Behörden als persönliche Wahlkampfspende aus Saudi-Arabien deklarierte. Die Korruptionsbehörden verzichteten daraufhin auf eine Anklage.

Doch die "Kleptocracy Asset Recovery Initiative" des US-Justizministeriums ermittelte weiter und veröffentliche Mitte der vergangenen Woche ihren Bericht – der den Vorwurf erhebt, mindestens eine Milliarde von 1MDB sei für den Kauf von Luxuswohnungen, teuren Gemälden und Privatjets verwendet worden; und für die Produktion des Hollywood-Films "The Wolf of Wall Street", hinter dessen Produktionsfirma Red Granite Najibs Schwiegersohn Riza Aziz stehen soll. Dieser weist ebenso wie die Firma und Najib selbst alle Vorwürfe zurück. Die Konten wurden von den US-Behörden eingefroren.

Najib gelobte mit den Worten "gute Regierungsführung ist uns ein ernstes Anliegen" Zusammenarbeit. Das Verhältnis zu Washington sei keinesfalls gestört.

"Malaysian Official 1"

Dass Najib in dem Bericht nicht namentlich genannt, sondern offenbar als "Malaysian Official 1" umschrieben wird, liegt offenbar auch daran, dass die USA auf seine Zusammenarbeit nicht völlig verzichten können. Malaysia gilt als stabiles Land in einer mehrheitlich instabilen Region, im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus gilt es als ein Partner der USA. Erst in der vergangenen Woche hatte die Terrormiliz "Islamischer Staat" einen Handgranatenanschlag auf eine Bar für sich reklamiert, bei dem mehrere Menschen verletzt wurden. Zudem ist es Teil des geplanten Handelspakts TPP, der ein Gegengewicht zum wirtschaftlichen Einfluss Chinas sein soll.

Ben Rhodes, stellvertretender Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama, versuchte daher die Distanz zwischen den US-Ermittlungen und dem Weißen Haus zu betonen: "Wir haben keine Kontrolle über das Justizministerium", sagte er nach Angaben der Agentur Reuters.

Denn auch in Washington ahnt man, dass man noch länger mit Najib zu tun haben wird. Die von ihm geführte Blockpartei Barisan Nasional (BN) hat trotz der Korruptionsermittlungen und der Spekulationen um den verschwenderischen Lebensstil des Premiers und seiner Familie erst kürzlich wieder Parlamentsnachwahlen gewonnen. Und das, obwohl eine Gruppe unter dem früher äußerst einflussreichen Expremier Mahatir Mohamad erstmals gegen Najib – einst politischer Ziehsohn Mahatirs – angetreten war.

Kritik von Medien und Opposition hat Najibs Regierung schon in den vergangenen Jahren systematisch erschwert. Oppositionschef Anwar Ibrahim sitzt seit einem Jahr im Gefängnis, zu vier weiteren wurde er verurteilt. Ihm wurde eine Anklage wegen angeblicher Sodomie zum Verhängnis. Trotzdem hat er sich nun aus der Haft mit Mahatir zusammengeschlossen, um politisch gegen Najib aufzutreten. Das zeigt den Ernst der Lage: Denn auch unter Mahatir war Anwar in den 1990er-Jahren schon einmal als Oppositionsführer zu Haft verurteilt worden. (Manuel Escher, 22.7.2016)