Eng könnte es bis Mitte des Jahrhunderts mit der globalen Rohstoffversorgung werden, befürchten die Vereinten Nationen. Experten entgegnen, dass sich bisherige Trends nicht einfach fortschreiben ließen.

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Wien – Besorgnis ruft der weltweit steigende Rohstoffhunger in den Vereinten Nationen hervor. Zwischen 1970 und 2010 hat sich der globale Ressourcenverbrauch von 22 auf jährlich 70 Milliarden Tonnen mehr als verdreifacht, geht aus einer Erhebung des Umweltprogramms Unep hervor. Im gleichen Zeitraum hat sich die Weltbevölkerung auf knapp sieben Milliarden im Jahr 2010 nicht einmal verdoppelt.

"Wir müssen dieses Problem dringend angehen, bevor wir die Ressourcen unwiderruflich aufgebraucht haben, die unsere Wirtschaft antreiben und Menschen aus der Armut holen", warnt nun Unep-Vorsitzende Alicia Bárcena Ibarra. Sofern sich dieser Trend fortsetzt, müssten ab 2050 etwa 180 Tonnen Rohstoffe gefördert werden, um die erwarteten neun Milliarden Erdenbürger zu versorgen. Verstärkter Klimawandel, höhere Luftverschmutzung, sinkende Artenvielfalt und Konflikte um Rohstoffe werden befürchtet.

Angesichts solcher Prognosen mag sich ein Déjà-vu-Gefühl einstellen, schließlich schreckte bereits 1972 der Club of Rome die Welt mit der Studie "Die Grenzen des Wachstums" auf, die zu ähnlichen Ergebnissen kam. Allein die Prognosen sind nicht wie vorausgesagt eingetroffen.

Auch diesmal regt sich Kritik. "Es gibt Entwicklungen, die dagegensprechen, dass sich dieser Trend fortschreibt", wirft etwa Rohstoffanalyst Thorsten Proettel von der Landesbank Baden-Württemberg ein. "Der Mensch hat genug Erfindungsgabe, dass er stets an neue Rohstoffe gelangen kann. Etwa in der Antarktis gibt es noch riesige Vorkommen."

Chinas Bedarf nimmt ab

Laut Unep haben vor allem aufstrebende Länder wie China, dessen Anteil am Welt-BIP sich bis 2010 verachtfacht hat, mit dem Bau von Straßen, Häfen oder Fabriken den Rohstoffkonsum angefacht. Nun versucht die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt den Schwenk zu einer konsumorientierten Binnenwirtschaft, was laut Proettel den Ressourcenhunger verringern wird. Den höchsten Konsum ortet Unep in den Industrieländern mit dem Doppelten des Schnitts. Jedoch sind diese bis 2010 im Mittel um knapp zwei Prozent pro Jahr gewachsen, seither waren es bloß 0,9 Prozent. Zudem verweist Proettel auf Effizienzgewinne bei der Energienutzung oder eine stärkere Rohstoffwiederverwertung.

"Beim Recycling gibt es noch wahnsinnig viel Luft nach oben", betont Global-2000-Ökologin Lisa Kernegger; teilweise wegen fehlender Sammlung oder weil es sich nicht rechne. Auch Erzeuger sieht sie in der Pflicht, etwa zwecks Ressourcenschonung die Lebensdauer ihrer Produkte zu erhöhen. Daher spricht sie sich für ein System aus, das Ressourcenflüsse genauer erfasst, um politische Anreize oder Initiativen zu schaffen, denn "Konsumenten wissen oft gar nicht, welche Rohstoffe sie direkt und indirekt verbrauchen".

Sorgen machen Kernegger die mit der Rohstoffgewinnung verbundenen Menschenrechtsverletzungen oder Umweltverschmutzungen, die auch Proettel beschäftigen. Gerade neue Quellen wie Schieferöl oder Ölsande hält er für problematisch. Über die künftige Versorgung mit Rohstoffen meint er hingegen: "Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen." (Alexander Hahn, 21.7.2016)