Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) traf den Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) auf ein paar politische Häppchen.

Foto: Alexandra Serra

Bregenz – Das Verhältnis zwischen Bund und Ländern war Hauptthema des ersten Besuchs von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) in Vorarlberg. Nimmt man die gemeinsame Pressekonferenz von Kanzler und Landeshauptmann Markus Wallner als Maßstab, ist zumindest die Beziehung Vorarlberg-Wien ungetrübt.

Wallner lobte die Bankenabgabe neu, meldete dabei aber auch Länderbedürfnisse an – man müsse sie an der Einmalzahlung beteiligen. Bis Ende des Jahres werde man hoffentlich zu einem fairen Abschluss der Finanzausgleichsverhandlungen kommen, sagte Wallner.

Kern will auch als Kanzler das gute, pragmatische Verhältnis zu Vorarlberg, das er in ÖBB-Zeiten schätzen gelernt habe, pflegen, Lob gab es vom Kanzler für die Vorarlberger Schulpolitik. In Sachen Gesamt- und Ganztagsschule sei Vorarlberg ein bedeutender Bündnispartner, sagte Kern. Man werde auch im Finanzausgleich pragmatische Lösungen zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Schulgemeinschaften finden, ist Kern optimistisch.

Nachbarschaftshilfe neu

Thema beim Vieraugengespräch war auch die Integration, sagte Wallner, der für nächste Woche eine Entscheidung der Landesregierung über die künftige Integrationsstrategie ankündigte. Bundeskanzler Kern sieht die Vorarlberger Integrationsvereinbarung (die Mindestsicherung wird an das Unterzeichnen der Vereinbarung gebunden) als interessantes Modell, das man "evaluieren und in die Bundesdiskussion einfließen lassen sollte".

Der umstrittene Stopp der Caritas-Nachbarschaftshilfe durch das Sozialministerium könnte durch eine neue Lösung aufgehoben werden. Kern sprach sich für den Vorschlag von Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) aus, die Beschäftigung von Asylsuchenden im Rahmen der Nachbarschaftshilfe über den Dienstleistungsscheck laufen zu lassen. Wallner sieht das skeptisch. Der Dienstleistungsscheck sei zu bürokratisch, würde deshalb auch nur selten genutzt. Diese Möglichkeit für stundenweise Arbeiten, meist im Haushalt, wurde unter Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) geschaffen, um Schwarzarbeit zu verhindern.

Kritik an Pro-Erdoğan-Demonstrationen

Einig sind sich Wallner und Kern in der kritischen Sicht unangemeldeter Kundgebungen und Demonstrationen türkischstämmiger Mitbürgerinnen und Mitbürger. Der Bundeskanzler verurteilte Ausschreitungen wie zuletzt in der Wiener Mariahilfer Straße und mahnte zur Besonnenheit. Es gelte jetzt, kühlen Kopf zu bewahren und die erste emotionsgeladene Phase abzuwarten.

Kern: "Man muss auch versuchen zu verstehen, was in der Nacht passiert ist. Dass türkische Mitbürgerinnen und Mitbürger in dieser Nacht auf die Straße gegangen sind, ist aus der Biografie dieser Menschen durchaus nachvollziehbar. Sie haben Verwandte in der Türkei, einige von ihnen haben den Militärputsch 1980 miterlebt, wissend, dass damit Verschleppung und Folter verbunden waren." Grenzüberschreitungen seien aber "ganz und gar nicht akzeptabel und polizeilich zu ahnden". Der Kanzler warnte vor der Vermischung von Religion und Politik, die bei Menschen, die aus einer demokratischen Kultur kommen, zu Recht Unbehagen auslöse. Kern will den Dialog mit türkischen und islamischen Organisationen vertiefen. Eine erste Einladung zu Gesprächen sei bei den Vertretern auf positive Reaktionen gestoßen.

Konflikte nicht importieren

Landeshauptmann Wallner sieht keine Notwendigkeit für Gespräche auf politischer Ebene, sagte er zum STANDARD. Die Lage in Vorarlberg zu beobachten sei Sache der Polizei.

In der Nacht des Putsches kam es in Wolfurt bei Bregenz, wo das türkische Generalkonsulat seinen Sitz hat, zu einer unangemeldeten Kundgebung mit rund 600 Personen. Wallner bezeichnete die Zahl als hoch. "Da sieht man schon, dass eine große Gruppe mobilisierbar ist, sogar vom Heimatland aus."

Vorarlberg hat nach Wien den höchsten Anteil an türkischstämmigen Bürgerinnen und Bürgern. Wallner: "Bei mir läuten alle Alarmsignale, wenn Konflikte aus dem Ausland nach Österreich getragen werden. Wer Bürger dieses Landes ist, sich hier aufhält, hat sich nach den Regeln unseres Landes zu verhalten. Wir werden die Entwicklung genau beobachten. Wenn Regeln gebrochen werden, gibt es kein Verständnis." (Jutta Berger, 19.7.2016)