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Wochenlang wurde gerechnet, nun steht fest: Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sehen sich im Handel in den roten Zahlen.

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Wien – In Österreichs Handel gehen Wogen und Emotionen hoch. Mehr als zwei Jahre lang tüftelten die Sozialpartner an neuen Spielregeln für 500.000 Beschäftigte. Es ging um eine tiefgreifende Reform des komplexen Kollektivvertrags: Die Vielzahl an Gehaltstafeln, die selbst für Juristen kaum noch zu durchblicken war, sollte entrümpelt werden.

Unterschiedliche Beschäftigungsgruppen wollte man klar voneinander abgrenzen. Das Ziel: mehr Geld für Berufseinsteiger, dafür in Summe flachere Einkommenskurven, die es dem Handel erleichtern sollten, ältere Mitarbeiter zu integrieren.

Ende nach 35 Verhandlungsrunden

Arbeitnehmer wie Arbeitgeber sprachen gern von konstruktiven Verhandlungen – nachdem in der Vergangenheit viele ähnliche Anläufe gescheitert waren. Sie absolvierten 35 Verhandlungsrunden, rangen sich gegenseitig in etlichen strittigen Punkten Lösungen ab.

Bis vor einigen Wochen beide Seiten ihre Rechenstifte zückten und sich offenbar unüberwindbare Differenzen auftaten. Seit Dienstag liegt die Reform des neuen Gehaltsschemas auf Eis. Von Lohndumping ist an der einen Front die Rede – von Händlern, die bald den Ladenschlüssel abgeben werden müssen, auf der anderen.

Sackgasse

"Wir sind in einer Sackgasse gelandet", sagt Iris Thalbauer, Geschäftsführerin der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer. "Das Ziel war schon in Sichtweite. Die Wirtschaftskammer hat einfach die Nerven weggeworfen", sagt Anita Palkovich, Verhandlerin aufseiten der Gewerkschaft GPA.

Die beiden Sozialpartner waren sich zuvor bei der einfacheren Gestaltung der Beschäftigungsgruppen nähergekommen. Auch in Sachen Karenzanrechnungen zeichnete sich eine Einigung ab. Bis es um harte Zahlen ging.

"Liegen zu weit auseinander"

"Am Ende des Tages scheiterte es an Gehaltstafeln für die Mindestgrundgehälter. Wir liegen zu weit auseinander", sagte Thalbauer: Den Betrieben stünden im neuen Lohnsystem um 4,8 bis 18 Prozent höhere Gehälter bevor. Völlig anders die Rechnung der Gewerkschaft: Demnach büße jeder zweite Mitarbeiter künftig Einkommen ein – unterm Strich fünf Prozent.

Zweite derzeit unüberwindbare Hürde: Zuschläge für die Arbeit an Samstagnachmittagen. Vor allem große Händler wollen diese streichen. "Für uns ist das aber ein absolutes Tabu. Das war nie Teil des Pakets", sagt Palkovich. Die überwiegende Mehrheit der Handelsmitarbeiter sind Frauen. Wochenendarbeit sei für sie aufgrund der schweren Vereinbarkeit von Beruf und Familie extrem belastend.

Beide Seiten haben verloren

Für den Handelsverbandspräsidenten Stephan Mayer-Heinisch haben derzeit beide Seiten verloren. Er appelliert an ein Ende der Revierkämpfe und die rasche Wiederaufnahme der Gespräche auf breiterer Basis. Klar sei, dass der Handel keine Verteilungsmaschine sei. Das Kundenverhalten habe sich verändert, teilweise würde bis zur Hälfte des Umsatzes an Freitagen und Samstagen erzielt.

"Jedes neue Entgeltsystem kostet anfangs mehr", sagt Gewerkschafterin Palkovich. Wann amortisiert es sich durch niedrigere Personalkosten? "Sicherlich nicht innerhalb von fünf Jahren in nur einer Vorstandsperiode." (Verena Kainrath, 19.7.2016)