Boris Johnson zeigte im EU-Rat viel Krawatte und Statur.

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So hatte sich Boris Johnson seinen ersten Auftritt im Kreis der EU-Außenminister wohl nicht vorgestellt. Als er Montag kurz vor acht vor dem Ratsgebäude in Brüssel vorfuhr, galt die Aufmerksamkeit nicht ganz ihm, dem vor einer Woche überraschend ins Amt berufenen britischen Außenminister. Auf Druck Frankreichs war wegen "Mister Brexit" sogar ein gemeinsames Abendessen tags davor abgesagt worden. Es kam am Wochenende aber der gescheiterte Militärputsch in der Türkei dazwischen. Und bei Europas Chefdiplomaten (mit US-Außenminister John Kerry als Gast) stand das Thema Türkei im Zentrum, ebenso der Anschlag in Nizza, der Terror und die Folgen.

Der Brite wurde von seinen Kollegen freundlich umringt, als der Rat zu Mittag in die zweite Runde ging. Die EU-Institutionen wollen wie berichtet mit den Briten keinerlei Verhandlungen zum EU-Austritt führen, solange die Regierung in London den Antrag dazu nicht offiziell eingebracht hat.

Reihe von Antrittsbesuchen

Danach sieht es derzeit aber nicht aus. Die neue Premierministerin Theresa May will noch diese Woche zu Antrittsbesuchen in Paris und Berlin reisen, um mit den wichtigsten Partnern in der Union die Claims abzustecken. "Keine Details zum EU-Austritt, please", lautet die Devise, wie eine Sprecherin in London erklärte.

Außenminister Johnson zeigte sich in Brüssel bezüglich der weiteren Zusammenarbeit mit den EU-Partnern optimistisch: "Wir verlassen die EU, das heißt aber nicht, dass wir Europa verlassen", sagte er, nachdem er am Vorabend bilaterale Gespräche mit der Außenbeauftragten Federica Mogherini geführt hatte. Sie bekräftigte, dass es keine Verhandlungen vor dem Austrittsantrag geben werde.

Ganz so nach der reinen Lehre dürfte es aber dann doch nicht laufen. "Es hat erste informelle Gespräche zwischen der EU und Großbritannien gegeben, die dürften gut verlaufen sein", verriet der österreichische Außenminister Sebastian Kurz. Solche Gespräche wären "eine Selbstverständlichkeit". Aus seiner Sicht müsse man mit der Situation professionell umgehen und die weitere Zusammenarbeit mit den Briten gestalten, so unerfreulich der EU-Austritt auch sei. Das will vor allem auch die britische Seite.

Dutzend Freihandelsverträge

Wie es heißt, laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Die Regierung in London will vor allem rasch Verhandlungen über bis zu einem Dutzend Freihandelsverträge rund um die Welt auf den Weg bringen, etwa mit den USA, Kanada, China, um die EU zu kompensieren. Das wäre, wie berichtet, ein Rückschlag für TTIP, das geplante Abkommen der EU mit den USA, weil Großbritannien dabei essenziell ist, was das Volumen betrifft.

Kerry bestritt, dass TTIP "ein totes Pferd" sei und Washington es still beerdigen wolle, "wir sehen das anders". Das Abkommen mit der EU werde eben wegen des Austritts der Briten wichtiger. (Thomas Mayer aus Brüssel, 18.7.2016)