Die Staatsanwaltschaft wirft dem Vater zweier Kinder Doppelmord vor, die Verteidigung spricht von Totschlag.

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Linz – Unter großem Publikumsinteresse hat am Montag im Landesgericht Linz der Prozess gegen einen 41-Jährigen begonnen, der im Februar in Leonding (Bezirk Linz-Land) ein Nachbarehepaar mit einer Eisenstange erschlagen haben soll. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Vater zweier Kinder Doppelmord vor, die Verteidigung spricht von Totschlag. Die Eröffnungsplädoyers nahmen den gesamten Vormittag in Anspruch.

Staatsanwalt Reinhard Steiner erklärte den Geschworenen ausführlich, warum der Angeklagte sehr wohl gemordet und nicht im Affekt zugeschlagen habe. Detailliert schilderte er, was sich an jenem Samstagnachmittag auf der Straße zugetragen hatte. Nach Ellbogenremplern zwischen den Pensionisten und dem Mann beim Vorbeigehen, soll die ältere Frau gemeint haben: "San's deppert wor'n". Darauf schlug der Beschimpfte zu, als das Paar am Boden lag, trat er mit Stahlschuhkappen auf die Köpfe ein. "Aber damit noch nicht genug", so Steiner. Der Mann holte von der Baustelle eine zugespitzte Eisenstange, umfasste sie mit beiden Händen und stach mehrmals auf die Hilflosen ein. Der 74-Jährige und seine 72-jährige Frau überlebten nicht, sie starben später im Spital.

Staatsanwalt sieht keine Kurzschlussreaktion

Die Tat habe ein Ausmaß an Brutalität, das "bemerkenswert und grausam ist" und keineswegs als "Kurzschlussreaktion" zu sehen sei. Auch sei der Angeklagte nicht aus einer allgemein begreiflichen Gemütsbewegung heraus gewalttätig geworden. Denn der seit Jahren schwelende Nachbarschaftsstreit sei keineswegs so dramatisch-bedrohlich gewesen, wie bisher kommuniziert worden sei. Denn außer Beschimpfungen und Beschwerden über den Lärm der Kinder habe es keine Handgreiflichkeiten oder gerichtliche Auseinandersetzungen gegeben.

Auch das psychiatrische Gutachten zeige vielmehr, dass der Gesundheitszustand seiner Frau den Angeklagten belastete, führte der Ankläger ins Treffen. Die unter Phobien und Ängsten leidende Gattin habe die Situation mit den Nachbarn als unerträglich empfunden. Sie habe Druck auf den Mann ausgeübt, wegzuziehen, die Scheidung in den Raum gestellt.

"Familie niedergemacht"

Ganz anders die Sichtweise von Verteidiger Andreas Mauhart, der den Mandanten seit der gemeinsamen Schulzeit persönlich kennt. Er sprach sehr wohl davon, dass die Getöteten dem "bescheidenen" Mann seit Jahren das Leben mehr als schwer machten. Der eigentliche "Horror" habe begonnen, als der Vater für sein erstgeborenes Kind eine Sandkiste im Garten aufstellte. Wenn der Bub darin spielte, seien die Nachbarn am Zaun gestanden und hätten sich gut hörbar über den Nachwuchs und die als labil geltende Mutter abfällig geäußert. Systematisch sei die junge Familie niedergemacht worden, so der Verteidiger.

Am 13. Februar sei der Vater dann auf der Straße "übergeschnappt". Diesen "Knock-out" wertete Mauhart als allgemein begreifliche Gemütslage. Dass der gelernte Ingenieur dann getötet habe, stritten weder er noch sein Mandant ab. "Natürlich muss sich der Mann, der leidenschaftlicher Fischer ist, aber den Fisch bis heute nicht töten kann, jeden Tag seine Hände anschauen, die getötet haben", meinte der Jurist.

Angeklagter fühlte sich beobachtet

Der Angeklagte selbst erklärt sich nur wegen Totschlags für schuldig. Er berichtete auf Nachfrage von Richterin Petra Oberhuber über jahrelange Probleme mit dem Nachbarn. So stand die Polizei mehrmals vor der Tür, weil die Nachbarn ihn wegen Ruhestörung angezeigt hatten, wenn er im Garten mit Freunden grillte. Zudem fühlte er sich immer von ihnen beobachtet, was er reaktionslos hingenommen habe.

Ganz schlimm wurde die Situation, als seine künftige Frau 2006 zu ihm ins Haus einzog. Wegen des Plans, eine Familie zu gründen, beabsichtigte das Paar umzubauen, wogegen die Nachbarn erfolglos Einspruch erhoben. "Aber wir sind durch die Anzeigen finanziell und zeitlich unter Druck geraten", sagte der Angeklagte.

"Mich hat der Blitz getroffen"

Für seine Frau spitzte sich die Lage nach der Geburt des zweiten Kindes ab 2013 derart zu, dass sie mit Sohn und Tochter ausziehen wollte. "Immer wieder habe ich sie davon zu überzeugen versucht, die Vorteile von einem eigenen Haus mit Garten zu sehen", so der Vater vor Gericht. Er sah auch ihre Angst um das Leben der Kinder als übertrieben an. "Erst heute weiß ich, dass meine Frau damals therapeutische Hilfe benötigt hätte", meinte er.

Doch auch in ihm dürfte sich über all die Jahre "einiges aufgestaut haben". Denn am 13. Februar reichten drei Wörter der Nachbarin auf der Straße und "mich hat der Blitz getroffen", sagte der Mann mit fester Stimme. "Ich kann nicht immer nur einstecken, ich muss mich wehren", gab er seine Gefühle wieder. Danach schlug er zu.

Tochter der Opfer fordert Schadenersatz

Die Tochter der Opfer hat sich als Privatbeteiligte dem Prozess angeschlossen und verlangt einen Teilschadenersatz von 53.000 Euro. Die Anklagebehörde hat 17 Zeugen beantragt, die Verhandlung ist daher für zwei Tage anberaumt. Ein Urteil ist für Dienstag beplant. Bei einem Schuldspruch droht dem Mann eine Gefängnisstrafe zwischen zehn Jahren und lebenslang. (APA, 18.7.2016)