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Alan Vega bei einem Konzert in Wien im September 1997.

Foto: Leonhard Foeger/Reuters

Wien/New York – Geprobt haben Suicide nie. Proberäume in New York kosten Geld, und irgendwie ist es ohnehin klar, dass ein Sänger zur Musik irgendetwas singen muss. Miteinander so richtig abgehangen sind Alan Vega und Martin Rev auch nie im Sinne von privat. Aber ein Hang zu auch nachts die Augen schonenden übergroßen Sonnenbrillen und die Vorliebe für sowohl minimalistische Avantgarde-Musik als auch derben Rockabilly hat sie irgendwann Ende der 1960er-, Anfang der 1970er-Jahre in New Yorks Downtown-Kunstszene zusammengeführt.

Kommerziell gesehen gab man sich dann mit dem selbstbetitelten Debüt "Suicide", das als blutverschmierter Schriftzug auf einem der einflussreichsten Alben der Popgeschichte stand, von vornherein nur wenige Chancen.

Mit Songs wie "Ghostrider", "Rocket USA" und "Frankie Teardrop" beinflußte man aber in der Folge eine ganze Heerschar nachrückender Musiker. Zeitgleich mit der Entstehung von US-Punk in New Yorker Clubs wie dem CBGB’s war Suicide selbst vor einem dem Rohen gegenüber aufgeschlossenen Publikum im Gegensatz zu Kollegen wie Blondie und den Ramones kaum Erfolg beschieden.

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Musiker Martin Rev ersetzte die Rockbandbesetzung durch einen einfache Rock-'n'-Roll-Riffs aus der Gründerzeit böllernden Synthesizer und eine zischelnde und polternde Drum-Machine, Alan Vega gluckste, heulte, gummelte und gellte dazu als Elvis aus der Hölle Texte über den Untergang des amerikanischen Traums, Tragödien im familiären Milieu, Vietnamkriegs-Heimkehrertraumata und überhaupt alles, was schlechte Laune machte. Dazwischen fanden sich in Folge der "Karriere" von Suicide (inklusive einer für die Band dank Publikum lebensbedrohlichen Europatournee Anfang der 1980er-Jahre) aber auch wunderbarste zärtliche Lieder wie das selbst von Bruce Springsteen gecoverte Jahrhundertwerk "Dream Baby Dream".

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Anfang der 1980er-Jahre war aufgrund von Misserfolg und Problemen mit Management und Plattenfirmen jedenfalls Schluss. Alle paar Jahre gab es Reunions und Platten, zuletzt etwa 2002 das gallige 9/11-Album "American Supreme".

Alan Vega veröffentlichte auch diverse Soloarbeiten, darunter fanden sich Perlen wie das damals in Frankreich zum kleinen Überraschungshit gewordene "Jukebox Babe" von 1981 und sein bestes, im selben Jahr veröffentlichtes Album "Collision Drive", auf dem sich Vega als Vietnamkriegsveteran inszenierte, ohne jemals einen Fuß außerhalb New Yorks gesetzt zu haben.

25million

Alan Vega meinte einmal im persönlichen Gespräch während einer von Amphetaminersatz Wodka getränkten Österreich-Tournee Ende der 1990er-Jahre, die eine Woche wie ein halbes Jahr wirken ließ: "Ich kann mich an die Eighties kaum erinnern, sie müssen ein gutes Jahrzehnt gewesen sein." Er lebte das New Yorker Boheme-Leben in seinem Loft in Downtown Manhattan, solange es ihm die angeschlagene Gesundheit erlaubte. 2007 erschien das letzte, sperrig technoide Soloalbum "Station", mit dem er auch beim Donaufestival in Krems gastierte. Bis zuletzt war Vega auch als bildender Künstler tätig. Vor allem die Kreuzform, die gern in seinen Skulpturen mit Neonleuchten hergestellt wurde, hatte es ihm dabei angetan.

Alan Bermowitz alias Alan Vega ist am Samstag friedlich in seinem New Yorker Apartment eingeschlafen. Er wurde 78 Jahre alt. Er hinterlässt seine Frau Liz und seinen Sohn Dante. (Christian Schachinger, 17.7.2016)