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Der Marktzugang von Agrarprodukten ist eine der heikelsten Fragen bei TTIP. Bei Ceta hat sich die EU durchgesetzt: Herkunftsbezeichnungen wie Parmigiano-Reggiano sollen in Kanada geschützt werden.

Foto: Reuters / Alessia Pierdomenico

Die Umstände könnten nicht widriger sein. In den USA ist Freihandel zu einem dominierenden Thema im Präsidentschaftswahlkampf geworden. Der Republikaner Donald Trump warnt davor, dass die USA mit Billigwaren aus Asien überschwemmt werden, und lehnt eine weitere Marktöffnung ab. Die Demokratin Hillary Clinton ist im Tonfall moderater, aber in der Sache ähnlich kritisch.

In Europa haben die Briten mit ihrem Brexit-Votum gerade Ja zu einer Abschottungspolitik gesagt. In Österreich und Deutschland ist die Ablehnung der geplanten EU-Handelsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (Ceta) enorm.

Intensive Anstrengungen

Trotzdem drücken Diplomaten derzeit auf beiden Seiten des Atlantiks aufs Tempo, um TTIP noch zu retten und in den kommenden Monaten auf Schiene zu bringen. Ziel ist es, ein fertiges Abkommen um den Jahreswechsel 2016/2017 präsentieren zu können.

In der vergangenen Woche fand in Brüssel die 14. Verhandlungsrunde zu dem Pakt statt. Die EU-Kommission und die US-Unterhändler versuchen derzeit jenen Teil der TTIP-Materien abzuhaken, bei denen es wenige Meinungsunterschiede gibt. Dazu gehört die Abschaffung von Zöllen, etwa auf Automobilteile und Agrarprodukte. Laut EU-Chefverhandler Garcia Bercero hat man sich mit den USA bereits darauf geeinigt, 97 Prozent der bestehenden Zölle zu streichen. Bis zum Jahresende soll TTIP Stück für Stück so weit ausverhandelt sein, dass ein Punkt erreicht wird, an dem ein Abbruch der Gespräche nicht mehr sinnvoll ist.

Strittige Punkte

Die strittigsten Punkte im Agrarsektor, beim Zugang von Unternehmen zu öffentlichen Ausschreibungen und beim Investorenschutz könnten dann auf höchster politischer Ebene geklärt werden, ehe Barack Obama am 20. Jänner 2017 seinen letzten Arbeitstag im Weißen Haus hat.

Steht kein Abkommen bis zu diesem Datum, würde das die TTIP-Verhandlungen lange Zeit unterbrechen, weil alle Regierungsposten in den USA neu besetzt werden müssen. Ob Obamas Nachfolger Interesse an dem Abkommen hat, ist zudem fraglich. Für die EU-Kommission wäre damit eine Chance vertan, zu zeigen, dass man trotz des Brexit handlungsfähig in Handelsfragen ist.

Die Hälfte der Exporte

Diesen Beweis versucht die Kommission derzeit auch bei einem zweiten Handelsabkommen, bei Ceta, zu erbringen. Am Zug sind die Handelsminister der EU-Staaten. Sie sollen vermutlich im Herbst ihre Zustimmung zu Ceta erteilen. Dann wäre das EU-Parlament am Wort und anschließend die nationalen Parlamente.

Allerdings geht in Brüssel die Furcht um, der Brexit könnte die Sache deutlich verkomplizieren.

Kanada exportierte im vergangenen Jahr Waren im Wert von 28 Milliarden Euro in die EU. Mehr als die Hälfte der kanadischen Exporte im Wert von 15 Milliarden Euro wurde in Großbritannien verkauft. Aus kanadischer Sicht ist Ceta vor allem interessant, weil mit dem Abkommen der Zugang für Unternehmen zum britischen Markt erleichtert wird. Dieser Vorteil wäre mit dem Brexit weg.

Konzessionen Kanadas

Kanada selbst hat bei Ceta weitreichende Konzessionen gemacht: Bei öffentlichen Ausschreibungen der Regierung in Ottawa und der einzelnen Regionen können sich EU-Firmen künftig gleichberechtigt bewerben. Die Kanadier haben den Schutz von über 100 Herkunftsbezeichnungen für EU-Agrarprodukte wie Tiroler Speck oder Parmigiano-Reggiano akzeptiert. Die Kanadier haben zudem im letzten Moment ein neues, von der EU ausgearbeitetes System zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten akzeptiert.

Der Brexit bedeutet, dass Ceta geändert werden muss, weil ein EU-Land wegfällt. Im besten Fall wäre das eine Formalität, die Großbritannien betreffenden Bestimmungen werden gestrichen.

In Brüssel fürchtet man aber, dass die Kanadier neue Forderungen erheben werden, weil sich das Gleichgewicht verschoben hat.

Mögliche Folgen des Brexit

Der kanadische Ökonom Pierre Sauvé, der am Institut für Welthandel der Universität Bern forscht, erwartet, dass Ceta von kanadischer Seite in der derzeitigen Form womöglich gar nicht ratifiziert wird. "Zumindest aber könnte sich die Umsetzung Cetas auf Jahre verschieben, weil das große Interesse weg ist."

Das Problem trifft die EU nicht nur bei Ceta: Ohne die Briten muss die Union sämtliche ihrer über 30 Handelsabkommen aufschnüren.

Der US-Chefverhandler für TTIP, Dan Mullane, sagte am Freitag, dass aus Sicht Washingtons das Interesse am Handelsplatz trotz Brexit ungebrochen ist. Im Fall der USA entfällt nicht die Hälfte der Ausfuhren auf Großbritannien – es ist nur ein Viertel. ((András Szigetvari aus Brüssel, 16.7.2016)

Hinweis im Sinn der redaktionellen Leitlinien: Die Reise nach Brüssel erfolgte auf Einladung der US-Regierung.