London – Für Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault ist Boris Johnson als britischer Außenminister kein glaubwürdiger Partner. Großbritannien brauche einen zuverlässigen und geradlinigen Außenminister, sagte Ayrault am Donnerstag dem französischen Radiosender Europe 1.

"Während des Wahlkampfs hat er das britische Volk immer wieder angelogen und jetzt ist er es, der mit dem Rücken zur Wand steht", sagte Ayrault. "Ich brauche ein Gegenüber, mit dem ich verhandeln kann und der eindeutig, glaubwürdig und verlässlich ist."

Schulz kritisiert May

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat die neue britische Premierministerin Theresa May für die Besetzung ihres Kabinetts scharf kritisiert. May sei es bei der Vergabe der Ministerposten offenbar mehr um die Überwindung der Spaltung ihrer konservativen Partei gegangen als um die nationalen Interessen Großbritanniens, erklärte Schulz am Donnerstag in Brüssel.

Großbritannien müsse diesen gefährlichen "Teufelskreis" durchbrechen, der direkte Auswirkungen auf den Rest Europas habe. Angesichts der ungewissen Lage, in der sich Europa nach dem Brexit-Votum befinde, müssten alle Beteiligten "sehr verantwortungsvoll" agieren, mahnte Schulz.

Überraschungsmann Johnson

May hatte am Mittwoch die Regierungsgeschäfte in London übernommen. Als ihren Außenminister ernannte sie überraschend den früheren Londoner Bürgermeister Boris Johnson.

Dieser hatte sich in der Brexit-Kampagne für einen EU-Austritt eingesetzt und damit zur Niederlage seines Parteifreundes, des konservativen Premierministers David Cameron, beigetragen. Völlig unerwartet hatte er sich dann nicht für den Posten des Tory-Chefs und des Premierministers beworben und galt deshalb vielen als politisch verbrannt.

"Gewiefter Politiker"

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier rief seinen neuen britischen Amtskollegen auch gleich zur Sachlichkeit auf. "Boris Johnson ist ein gewiefter Parteipolitiker, der es verstanden hat, die europaskeptische Stimmung für sich zu nutzen", sagte der SPD-Politiker der "Bild am Sonntag" nach Vorabbericht vom Donnerstag. "Jetzt stehen aber völlig andere politische Aufgaben im Vordergrund. Es geht darum, jenseits des Brexit außenpolitische Verantwortung zu übernehmen."

Gleichzeitig forderte Steinmeier einen raschen Beginn der Trennungsverhandlungen: "Jetzt können wir auch erwarten, dass Theresa May möglichst bald die Phase der Unsicherheit beendet und den formellen Antrag auf Austritt aus der Europäischen Union stellt." (APA, 14.7.2016)