Hat China die Kontrolle über Tiangong 1 verloren? In jedem Fall soll die Raumstation in den Kommenden Monaten in der Erdatmosphäre ihr feuriges Ende finden.

Illu.: CNSA

Am 29. September 2011 schickte China seine erste Raumstation ins All. Tiangong 1, auf deutsch "Himmelspalast", besteht aus zwei Modulen, ist etwa zehn Meter lang und bietet auf 15 Kubikmetern Platz für drei Raumfahrer. Die chinesische Weltraumbehörde CNSA nutze Tiangong 1 zwei Jahre lang zur Erprobung ihrer Technik und für das Training von Kopplungsmanövern, aber auch wissenschaftliche Experimente wurden durchgeführt. Nach dem zweiten und zugleich letzten Taikonautenbesuch im Juni 2013 legte China die Station weitgehend still und es wurde ruhig um Tiangong 1 – zumindest bis vor wenigen Tagen.

Am vergangenen Sonntag zitierte das Internetmagazin Space.com nämlich einen Amateur-Satellitenbeobachter, der ein ungewöhnliches Verhalten bei Tiangong 1 festgestellt haben will. Thomas Dorman verfolgte die Umlaufbahn des chinesischen Weltraumlabors von Beginn an und berichtet nun von Anzeichen dafür, dass es in unkontrolliertes Trudeln geraten sei.

Keine Anzeichen für Probleme

"Viel Lärm um nichts", meinen dagegen Raumfahrtexperten: T.S. Kelso, Astrodynamik-Forscher am Center for Space Standards & Innovation (CSSI) in Washington, besitzt Daten über die gesamten orbitalen Bewegungen der Station seit ihrem Start und kann in den aktuellen Beobachtungen nichts Beunruhigendes entdecken – im Gegenteil: Tiangong 1 sei erst im vergangenen Dezember angehoben worden und hätte nun den höchsten Orbit seit Missionsbeginn. Und auch der natürliche Höhenschwund sei seit dem Manöver geringer als je zuvor. Kelso könne aus den Daten nur eines lesen: Die Raumstation schläft, ist aber stabil.

Wie wird es also weitergehen mit Tiangong 1? Nach ursprünglichem Plan sollte die Station vorerst im All bleiben soll, um Informationen zur Haltbarkeit von Schlüsselelementen zu sammeln. Diese sogenannte Extended Application Phase endete laut einer offiziellen Mitteilung der CNSA via Xinhua Ende März dieses Jahres.

Die in der Verlautbarung verwendeten Formulierungen machten Fachleute allerdings stutzig. Die betont vage Information, man hätte keine weitere Datenverbindung zu der Station, spreche dafür, dass China seither überhaupt keine Möglichkeit mehr habe, sie zu steuern – was für ein sicheres und kontrolliertes Ende über dem Pazifik unabdingbar wäre. Von offizieller Seite äußerte sich seit März niemand zum weiteren Schicksal von Tiangong 1.

Chinas Raumfahrtzukunft

Während Tiangong 1 – so oder so – in spätestens einigen Monaten Geschichte sein wird, baut China fleißig weiter an seiner ehrgeizigen Raumfahrtzukunft: Schon im wenigen Wochen ist der Start des Raumlabor-Nachfolgers Tiangong 2 geplant. Am vergangenen Montag wurde es an das Satellitenstartzentrum Jiuquan geliefert.

All dies sind allerdings nun Vorarbeiten für eine wesentlich größeres Unterfangen: In zwei Jahren will die Volksrepublik mit dem Bau ihrer ersten echten Raumstation beginnen. Das Kernmodul Tianhe-1 (Himmlische Harmonie) soll 2018 mit einer neuen Trägerrakete vom Typ Langer Marsch 5 ins All geschossen werden.

Bis 2022 will China den Bau der Raumstation vollenden – zwei Jahre später als ursprünglich geplant. Sollte die Internationale Raumstation (ISS) wie vorgesehen 2024 ihren Dienst einstellen, wäre China dann die einzige Nation mit einem permanenten Außenposten im All. Neben der Raumstation soll in der gleichen Umlaufbahn auch etwa um 2022 ein Raumteleskop stationiert werden, das dem "Hubble"-Teleskop der USA von 1990 ähnelt. Die Linse soll allerdings ein 300 mal größeres Blickfeld besitzen. (tberg, red, 16.7.2016)