Nur wenige Standorte, die ganztägige Betreuung anbieten, machen das in Form einer verschränkten Ganztagsschule.

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Wien – "Echte" Ganztagsschulen sind derzeit noch die Ausnahme. Zwar gibt es laut Bildungsministerium 2.135 Schulstandorte, an denen eine ganztägige Betreuung angeboten wird, bei nur acht Prozent davon handelt es sich aber um verschränkte Ganztagsschulen. Bei diesen wechseln sich Unterrichts-, Lern- und Freizeitphasen am Vor- und Nachmittag ab. Bei den restlichen 92 Prozent findet der Unterricht am Vormittag statt, der Nachmittag wird unter pädagogischer Aufsicht zum Hausaufgabenmachen und Lernen genutzt.

Mit dem am Dienstag von der Regierung vereinbarten Ausbau der Ganztagsbetreuung – bis 2020 werden 750 Millionen Euro investiert – will Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) möglichst die verschränkte Ganztagsschule ausbauen, wie es in ihrem Büro heißt. "Pädagogisch ist sie die klar bessere Form." Die Entscheidung soll letztlich aber autonom an den Schulstandorten fallen – so wurde es zwischen SPÖ und ÖVP vereinbart. Man werde nun mit Ländern, Gemeinden und den Schulen Gespräche aufnehmen.

Gesplittete Kompetenzen

Warum das nötig ist? Die Kompetenzen im Bildungssystem sind bekanntlich gesplittet. Für die AHS ist der Bund zuständig, für die Pflichtschulen die Länder und Gemeinden. Was die Umstellung auf eine verschränkte Ganztagsschule noch verkompliziert: In der Schulpartnerschaft – bestehend aus Lehrern, Eltern und Schülern – braucht es eine Zweidrittelmehrheit.

Hammerschmid kann sich vorstellen, von diesem Prinzip abzugehen. Das müsse aber erst diskutiert werden, sagt eine Sprecherin. Pflichtschullehrer-Gewerkschafter Paul Kimberger gibt jedenfalls zu bedenken, "dass Entscheidungen gegen eine Gruppe immer schlecht sind", wie er zum STANDARD sagt. Dort, wo bisher Anträge auf Umstellung auf Ganztagsschulen abgelehnt worden seien, habe es immer "gute Gründe" gegeben – etwa wenn der Standort aus baulichen Gründen gar nicht für Ganztagsbetreuung geeignet gewesen sei.

Zusätzliches Personal

Einig sind sich Kimberger und Bildungsministerium, dass die 750 Millionen – eine Abschlagszahlung der Banken für die Reduktion der Bankenabgabe – sowohl in Infrastruktur also auch zusätzliches Personal für die Betreuung am Nachmittag fließen sollen.

Bei der Finanzfrage ist aber noch vieles offen. Ein Drittel ist grundsätzlich für die Länder vorgesehen. Im Zuge des Finanzausgleichs, der gerade neu verhandelt wird, soll eine Zweckwidmung der frischen Mittel für die Ganztagsbetreuung vereinbart werden. Die ÖVP-Landeshauptleute von Oberösterreich (Josef Pühringer) und der Steiermark (Hermann Schützenhöfer) haben am Mittwoch aber schon deponiert, dass jene Länder, die bereits einen hohen Anteil an ganztägigen Schulformen haben oder deren Bedarf niedriger sei, "nicht benachteiligt werden dürfen". Hier scheint ein Streit also vorprogrammiert.

Zudem ist zwischen Bildungs- und Finanzministerium komplett unklar, wie die noch immer bestehende strukturelle Budgetlücke (heuer sind es 500 Millionen) geschlossen werden soll. Die SPÖ drängt auf weitere Mittel, die ÖVP auf Einsparungen – etwa bei der Neuen Mittelschule. (Günther Oswald, 13.7.2016)