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14. Juli 2015 in Wien: Die Verhandler verkündigen die Einigung auf den Atomdeal, EU-Außenbeauftragte Mogherini und die Außenminister des Iran, Großbritanniens und der USA, Zarif, Hammond, Kerry.

Foto: AP / Carlos Barria

Teheran/Wien – Am 14. Juli 2015 war es so weit: Ein Jahr nach der ursprünglichen Deadline vom Sommer 2014 verkündeten die Verhandler der EU/E3+3 (EU, Großbritannien, Frankreich und Deutschland; USA, Russland und China) die Einigung auf einen Atomdeal: Die internationale Gemeinschaft lässt ihre Forderung nach einem totalen Stopp der iranischen Urananreicherung fallen und hebt in diesem Zusammenhang verhängte Sanktionen gegen Teheran auf; der Iran akzeptiert auf Jahre hinaus strikte Beschränkungen seines Atomprogramms und strenge Kontrollen.

Bevor Mitte Jänner 2016 der "Implementation Day", der Beginn der vollen Umsetzung, schlagend wurde, war neben komplizierten technischen und rechtlichen Vorbereitungen auch noch die Klärung offener Fragen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) an den Iran nötig. Die Einjahresbilanz über den Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplan (JCPOA), wie das Abkommen offiziell heißt, wird so eigentlich zur Bilanz über ein bloßes halbes Jahr – mit gemischten Resultaten in unterschiedlichen Bereichen.

Die technische Umsetzung

Die auf der Hand liegende Frage ist erst einmal jene, ob sich die Partner des Deals an ihre Verpflichtungen halten: Die IAEA, die die nuklearen Aktivitäten des Iran kontrolliert, meldet jedenfalls, dass der Iran die technischen Auflagen erfüllt. Allerdings gab es unter Beobachtern, besonders unter den Gegnern des Deals, erst einmal Frustration, als sich herausstellte, dass die aktuellen IAEA-Berichte – die stets geleakt werden, so vertraulich sie auch sind – nicht mehr so viele technische Details enthalten wie früher.

Das ist Teil der Abmachung mit dem Iran: Kein Staat hat es gern, wenn solche Daten veröffentlicht werden. Aber hier kommt mancherorts das alte Misstrauen der IAEA gegenüber wieder zum Vorschein, dass sie eventuell Uneindeutigkeiten und die eine oder andere Schlamperei herunterspielen könnte, um selbst nicht zum Ziel von Kritik an mangelhafter Umsetzung zu werden – und dass sich im Laufe der Zeit der Schlendrian einstellt. Ein Verdacht, den die IAEA natürlich zurückweist.

Für die IAEA sind die Iran-Inspektionen auch ein beträchtlicher Kostenfaktor: pro Jahr an die zehn Millionen Euro extra, und das auf Jahre hinaus. Die Aufstellung einer Iran-Inspektorentruppe hat die Atomenergiebehörde an die Grenzen ihrer personellen Ressourcen, die sie ja auch anderswo einsetzen muss, gebracht.

Die im JCPOA geschaffene "Gemeinsame Kommission" ist bereits zusammengetreten: Sie hat die schwierige Aufgabe, den manchmal nicht eindeutigen Text konsensuell zu interpretieren, Ambiguitäten auszuräumen und Streitfälle zu schlichten. In den ersten Monaten war sie vor allem mit Fragen zur Sanktionsaufhebung beschäftigt.

Was in den Iran führt: Dort brachte eine im Juni von IranPoll durchgeführte Umfrage für die Universität Maryland das Ergebnis, dass die Iraner und Iranerinnen eher enttäuscht sind. Von 62,2 Prozent der Befragten, die vor einem Jahr an die Aufhebung der Sanktionen glaubten, sind nur mehr 23,5 geblieben. 72 Prozent zeigen sich davon überzeugt, dass die USA ihre Verpflichtungen, die Teil des Deals sind, nicht erfüllen.

Überzogene Erwartungen

Das hat natürlich auch mit überzogenen Erwartungen und sogar Missverständnissen zu tun: Alle Einschränkungen für US-Firmen, die nichts mit dem Atomstreit zu tun hatten, blieben ja in Kraft – und die Unsicherheit, die sich für die Zusammenarbeit mit den USA ergibt, wenn man mit dem Iran Geschäfte macht, hat auch andere Länder gebremst. Obwohl die iranische Wirtschaft wächst, ist der ganz große Boom, der auch bei den Menschen ankommt, noch nicht angelaufen.

Präsident Hassan Rohani, der sich 2017 der Wiederwahl stellen muss, ist trotz allem mit Abstand der beliebteste Politiker, aber seine Gegner suchen Angriffspunkte – und finden sie. Zurzeit schlägt ein Skandal um absurd hohe Gehälter in staatlichen Banken und Betrieben hohe Wellen: Dem Korruptionsbekämpfer Rohani schadet er enorm, nach drei Jahren im Amt kann er auch nicht mehr die Schuld für Missstände seinem Vorgänger Mahmud Ahmadi-Nejad zuschieben. Rohanis Meinungsunterschiede mit dem geistlichen Führer Ali Khamenei – der darauf pocht, dass sich der Iran nicht verändern will und darf – werden offen ausgetragen: Und da zieht ein Präsident stets den Kürzeren.

Gänzlich katastrophal jedoch fällt der regionale Befund aus: Saudi-Arabien, das die Rückkehr des Iran auf die internationale Bühne bekämpft, hat seine Gangart verschärft. Die Stellvertreterkonflikte – Syrien, Irak, Jemen – stecken fest, nicht einmal die Angst vor dem "Islamischen Staat" kann die Gegner einen. (Gudrun Harrer, 14.7.2016)