Bis einer weint: Carlos Santana quält seine güldene Laute.

Foto: APA / Herbert Pfarrhofer

Wien – Carlos Santana kaut Kaugummi. Ständig. Und zwar so, dass man bei aller buddhistischen Gelassenheit etwas unrund wird. Santana hat den Buddha, wir nicht. Spuck. Den. Verdammten. Kautschi. Aus. Jetzt, sofort. Aber wohin soll man sonst schauen? Das Kaugummikauen wird in der Wiener Stadthalle auf Großbildschirm übertragen.

Wenn man Carlos Santana nicht beim Kauen zuschauen mag, kommt man vom Regen in die Traufe. Links vorn steht ein Security-Mann und böst einen an, als ob man gleich zu randalieren beginnen würde. Sollte man sich vielleicht präventiv selbst eine Watsche geben? Rechts vorn hampelt ein typischer Haare-schön-Innenstadtbewohner in Sakko und kurzer Hose herum, der im dunklen Saal eine Sonnenbrille tragen muss, weil er vor dem Konzert zu viel Kaffee getrunken hat. Die Watsche doch umleiten?

Eh unerwartet toll

Oye Como Va? Danke, grad nicht so gut. Aber Augen zu und durch: "Jin-go, lo-ba, lo-ba-ba, lo-ba!" Das Konzert ist dann eh unerwartet toll. Carlos Santana hat man persönlich zuletzt in Wien gesehen als Viktor Klima Bundeskanzler war. Damals nutzte der Woodstock-Veteran jede freie Sekunde seiner vielköpfigen Begleitband, um ordentlich auf seiner Gitarre den Latino-Blues aus den Saiten zu quälen und nicht etwa mit den obligaten Gastsängern in einen künstlerischen Dialog zu treten, sondern alles mit einem ewigen Solo und Füllmaterial hier und Extra-Gegniedel da zuzumüllen. Das machte auch unrund.

Heute lässt Carlos Santana nach dem wahrscheinlich obligaten Woodstock-Film-Intro und dem Stammhoheit über die anderen Musiker gewinnenden Gniedel-Instrumental Soul Sacrifice auch einmal die Klampfe in Ruhe. Der Mann an der flokatiteppichverlegenden Wimmerorgel und die drei PerkussionistInnen (darunter Santanas Ehefrau Cindy Blackman, früher bekannt als Schlagzeugerin von Lenny Kravitz) haben auch ein Recht darauf, die Maschine ordentlich ins Rollen zu bringen. Das klappt trotz zweier eher jüngerer Animateursänger mit dem gewissen Nichts an Charisma mit zunehmender Konzertdauer immer besser.

Vorwiegend Silberrücken

Nach Latinoschlagerquatsch wie Maria, Maria oder dem Power-Yoga-Workout Foo Foo verlässt Santana die übliche Routine und kommuniziert mit der Band. Ausgiebige Jam-Sessions der "Machina" sorgen für Partystimmung im Saal, der vorwiegend mit Silberrücken und vereinzeltem jungem Gemüse gefüllt ist.

Dass Santanas bekannteste Number, die unverwüstliche und seit 40 Jahren für Stimmung in den Schlafzimmern sorgende "Samba-Party", dieses Mal in Wien nicht gespielt, dafür aber der große Jazz-Visionär John Coltrane mit A Love Supreme geehrt wird, stimmt ebenso froh wie eine Coverversion des Blues-Klassikers I Just Want To Make Love To You, der Hadern Black Magic Woman oder eine Verneigung vor John Lee Hooker am Ende des Konzerts. Santanas später Welthit Smooth darf natürlich auch nicht fehlen – und Carlos Santana, der alte Hippie, Esoteriker und Baumumarmer, will den Saal auch nicht ohne eine wichtige Lebensweisheit entlassen. Man müsse immer schauen, dass es den Frauen nicht nur gutgeht, sondern dass sie sich auch gut fühlen. Dann ist die Welt in Ordnung. Meine Frau Mutter sieht das seit Jahrzehnten übrigens ganz ähnlich. (Christian Schachinger, 14.7.2016)