Linz – Kreativität wird oft als Geistesblitz gesehen, der begabte Personen mehr oder weniger aus heiterem Himmel trifft. Gleichzeitig versuchen Organisationen aller Art, kreative Prozesse plan- und organisierbar zu machen – ein Widerspruch auf den ersten Blick. Eine Forschungsgruppe mit österreichischer Beteiligung sucht nun nach wissenschaftlichen Zugängen zur "Organisierten Kreativität".

"Mit Kreativität assoziiert man intuitiv etwas, das nicht planbar und dementsprechend auch nicht organisierbar ist", erklärte Elke Schüßler vom Institut für Organisation und Globale Managementstudien der Universität Linz. Im Rahmen einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit zwei Millionen Euro geförderten Forschungsgruppe wollen nun Wissenschafter aus Deutschland und Österreich erörtern, unter welchen Umständen strukturierte Herangehensweisen möglich und sinnvoll sind.

Fokus auf Pharma- und Musikindustrie

In der betriebswirtschaftlichen Forschung würden kreative Prozesse bisher anhand von Einzelpersonen oder kleinen Gruppen untersucht, in der Innovationsforschung liege der Fokus wiederum oft auf der Erneuerungsfähigkeit ganzer Regionen. Der kreative Prozess selbst würde zwar als Ausgangspunkt für Neuerungen angesehen, aber nicht näher beleuchtet. "An diesem Punkt wollen wir mit unserem Projekt einsteigen", sagte Schüßler.

Beteiligt sind neben Vertretern der Betriebswirtschaftslehre etwa auch Wirtschaftsgeografen oder Soziologen, die sich für kreative Handlungsmuster interessieren, beispielsweise in Labors. Momentan gehe es darum zu definieren, wie "kreative Praktiken" auf Organisationsebene eigentlich gemessen werden können. Schüßler: "Am Ende wollen wir auf diese Frage ein gute Antwort geben können."

Dazu konzentrieren sich die Forscher auf die Pharma- und Musikindustrie, also auf ein wissenschaftliches und ein künstlerisches Feld. Gerade zwischen diesen eigentlich sehr verschiedenen Branchen gebe es nämlich wichtige Parallelen: Beide würden eine kreative Krise durchlaufen, so die Linzer Forscherin. So muss sich die Musikindustrie seit einigen Jahren damit auseinandersetzten, dass ihre Produkte im Internet mehr oder weniger frei zugänglich sind, und auch der Pharmabranche setzen Generikaproduzenten zu. In beiden Bereichen gibt es zudem wenige "Majors", also Großkonzerne, sowie eine rege Szene an kleineren hoch kreativen "Minors", die einander gegenseitig beeinflussen.

Jede Menge offene Fragen

Ein wichtiger Unterschied im Umgang miteinander: Viele große Firmen sind stark hierarchisch organisiert, während etwa Start-ups oft ganz anders ticken. Um die Zusammenarbeit so unterschiedlicher Gruppen zu organisieren, seien momentan etwa sogenannte "Innovations-Labs" im Kommen. Dahinter steckt die Idee, das stärkere Vernetzung im lockeren Rahmen mehr Innovation mit sich bringt. "Ob das immer erfolgsversprechend ist, weiß man beispielsweise noch gar nicht genau", sagte Schüßler.

Fraglich sei auch, inwieweit kreative Prozesse sinnvoll in virtuelle Räume verschoben werden können und die zukünftige Rolle der klassischen Face-to-face-Zusammenarbeit. Ein zentraler Faktor sei auch der veränderte Umgang mit Unsicherheit – gerade im Zusammenhang mit Organisationen, die eigentlich dazu da sind, Unsicherheit zu reduzieren.

Bei den Untersuchungen werde man daher intensiv mit Unternehmen zusammenarbeiten. Am Ende soll eine Theorie der "Organisierten Kreativität" formuliert werden, die "natürlich empirisch fundiert" und "auch für Praktiker interessant sein soll", sagte die Wissenschafterin.

Koordiniert wird die Forschergruppe von Wirtschaftswissenschaftern der Freien Universität Berlin. Neben Schüßler ist aus Österreich auch Leonhard Dobusch vom Institut für Organisation und Lernen der Universität Innsbruck an dem Projekt beteiligt. (APA, 13. 7. 2016)