PRO: Schluss mit dem Posieren

von Gudrun Springer

Ein Geburtshaus übt immer eine gewisse Faszination aus und zieht Touristen an. Insbesondere jene, die den darin Geborenen bewundern. Deshalb erhält das Gebäude mit Adresse Salzburger Vorstadt Nr. 15 in Braunau am Inn regelmäßig Besuch von Rechtsextremen. Sie posieren und feiern vor den beigefarbenen Mauern, hinter denen Adolf Hitler zur Welt kam. Fotos davon wandern ins Netz und ziehen weitere Ewiggestrige an.

Solche Bilder gäbe es nicht, würden die Gemäuer – so eine Denkmalschutzprüfung dies zuließe – dem Erdboden gleichgemacht. Der Ort würde stark an Anziehungskraft für Rechte verlieren. Man stelle sich einmal vor, dort stünde längst ein Baumarkt oder ein Schuhgeschäft.

Historiker plädieren dafür, das Gebäude in ein Haus des Erinnerns oder der politischen Kommunikation zu verwandeln. Eine solche Nutzung könnte aber erst recht die Rechten anlocken und zu Protestaufmärschen animieren. Das muss man nicht provozieren und kann stattdessen an diesen Ort zwar etwas Neues, aber Alltäglicheres setzen.

Wenig reflektiert ist es aber, für den Abriss in Braunau mit dem Abbruch des Hauses von Josef F. in Amstetten zu argumentieren, wie es Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) tut. Hitlers Verbrechen sind mit F.s Taten nicht gleichzusetzen. Das Wissen, wer in Braunau geboren wurde, würde auch nach Schleifung des Hauses nicht einfach ausgelöscht. (Gudrun Springer, 12.7.2016)

KONTRA: Leben mit der Vergangenheit

von Markus Rohrhofer

Eigentlich darf man von einem Politiker mehr Geschichtsbewusstsein erwarten. Wenn Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) wiederholt den Abriss des Hitler-Geburtshauses fordert, so schreibt er damit nur ein weiteres Kapitel der unendlich verkorksten Geschichte österreichischer Vergangenheitsbewältigung. Längst sollte es auch an der Spitze des Innenministeriums angekommen sein, dass man die eigene Geschichte – und sei sie auch noch so dunkel – nicht mit der Planierraupe ungeschehen machen kann.

Mit der nun möglichen Enteignung, ein konsequenter, aber auch überfälliger Schritt, gilt es nun nach Jahren des Stillstands, die Chancen des neuen Handlungsspielraums zu erkennen und zu nutzen. Nicht die Abrissbirne bringt die Lösung, sondern nur ein adäquates Nutzungskonzept. Belastete Orte müssen mit Leben erfüllt werden, dann werden sie auch nicht zu Pilgerstätten für Ewiggestrige. Es braucht kein Museum, es muss endlich der Alltag in das kleine gelbe Haus einziehen.

Mit dem Prinzip "Augen zu und abreißen" ist man schon zu oft gescheitert. Hitlers Berghof am Obersalzberg etwa wurde 1952 gesprengt, schnell wachsendes Gehölz sollte alles vergessen machen. Doch de facto sind die letzten Steine im Wald heute mehr denn je ein Pilgerort für Nazis.

Letztlich bleibt nur der Weg, sich der Geschichte zu stellen. Schonungslos – ohne Hysterie und Baggerschaufel. (Markus Rohrhofer, 12.7.2016)