Man kann Theresa May gratulieren – oder sie bemitleiden. Durch den Exit der Brexit-Kämpfer gelangt sie in die Downing Street 10, als zweite Frau in der britischen Geschichte. Dort muss sie dann den Scherbenhaufen des Brexit-Votums wieder zusammenkitten. Und das ist eine unmögliche Aufgabe.

Wenn May mit der Anmeldung des Artikels 50 den EU-Austritt ihres Landes in Gang setzt, dann beginnt für sie ein Pokerspiel mit einem miserablen Blatt. Denn die 27 EU-Partner werden ihr möglichst wenig bieten, um Nachahmer abzuschrecken. Doch den Austrittsprozess stoppen kann sie dann auch nicht mehr. Die einzig wirtschaftlich sinnvolle Lösung ist das norwegische EWR-Modell. Das ist allerdings in allen Punkten schlechter als der Status quo.

Zögert sie den Brief nach Brüssel zu lange hinaus, setzt sie sich dem Vorwurf aus, den Willen des Volkes zu missachten – und sei er noch so konfus. Um das Warten zu rechtfertigen, könnte May informelle Verhandlungen mit Brüssel vorgaukeln. Aber dieses Spiel würde ihr die EU-Führung verderben, die Vorgespräche kategorisch ausschließt.

May war vor dem Votum gegen den Austritt und hat ihre Meinung seither nicht geändert. Dennoch muss sie nun "Brexit bedeutet Brexit" rufen. Sie ist zu einem Schlingerkurs zwischen Wählerwillen und Staatsräson gezwungen, den die drohende Rezession noch erschweren wird. Kein Wunder, dass andere diesen Job nicht haben wollten. (Eric Frey, 11.7.2016)