Damaskus – Nach einer Offensive der syrischen Regierungstruppen in der Metropole Aleppo haben die Rebellen einen Gegenangriff gestartet. Die Aufständischen nahmen am Montag mehrere von der Armee beherrschte Stadtviertel mit Granaten unter Beschuss. Außerdem gab es heftige Straßenkämpfe.

An der Trennlinie zwischen dem von der Regierung kontrollierten Westen und dem von Rebellen gehaltenen Osten der Stadt wurde nach Angaben von Augenzeugen heftig gekämpft. Auch die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete den Angriff. "Oppositionsgruppen haben eine groß angelegte Offensive an vier Fronten gegen die Regierung in der Stadt Aleppo gestartet, darunter die Altstadt", sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman. Es gebe schwere Kämpfe. Allerdings seien die Rebellen nicht vorangekommen, weil das syrische Militär die umkämpften Viertel aus der Luft angreife.

Die Rebellen feuerten der Beobachtungsstelle zufolge 300 Raketen auf Wohngebiete im Westteil von Aleppo ab, durch die mindestens neun Zivilisten getötet wurden. In dem von Aufständischen kontrollierten Teil der Altstadt starben demnach drei Zivilisten durch Bombardements. Im syrischen Staatsfernsehen war von acht toten Zivilisten und 80 Verletzten die Rede. Demnach stürzten mehrere Gebäude ein. Die Beobachtungsstelle bezieht ihre Informationen aus einem dichten Netz an Informanten, von unabhängiger Seite sind die Angaben aber kaum überprüfbar.

Aleppo war vor dem Krieg die größte syrische Stadt und eine Handelsmetropole. Die Rückeroberung wäre für die Truppen von Staatschef Bashar al-Assad ein wichtiger Sieg. Sie haben die meisten Städte im Westen des Landes unter ihrer Kontrolle und konnten zuletzt auf eine Versorgungsstraße vorrücken. Kämpfer der Islamistengruppe Failak al-Sham und des mit ihr verbündeten syrischen Al-Kaida-Ablegers Al-Nusra-Front scheiterten am Wochenende mit dem Versuch, die Straße wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Demnach konzentrierten sich die Gefechte auf die Altstadt. Ein Augenzeuge sagte, es gebe heftige Kämpfe in der Nähe der Zitadelle, die Teil des UNESCO-Weltkulturerbes ist.

Ein Korrespondent des staatlichen Fernsehens berichtete zudem, die Regierungstruppen hätten die Offensive der Rebellen gestoppt und viele Kämpfer getötet. Nach Angaben der Rebellen und eines Pro-Assad-Senders bekommt die Armee in Aleppo auch Hilfe durch russische Luftangriffe. Die Kampfjets sind bereits seit September in dem Bürgerkriegsland im Einsatz. Unterstützung erhält Assad auch vom Iran und der proiranischen Hisbollah.

Kämpfe gab es auch in anderen Teilen des Landes. Die Beobachtungsstelle berichtete, bei Angriffen der syrischen Luftwaffe in der nordwestlichen Provinz Idlib seien 17 Menschen getötet worden, darunter zwei Kinder. Idlib wird von einem Bündnis kontrolliert, zu dem die Al-Nusra-Front zählt. Die syrische Regierung hatte die Al-Nusra-Front sowie die Miliz Islamischer Staat von der Waffenruhe ausgenommen.

Die syrischen Streitkräfte hatten eigentlich am Samstag eine dreitägige Feuerpause ausgerufen. Nach Erkenntnissen der Beobachtungsstelle handelte es sich aber bei einer vorangegangenen Feuerpause um einen taktischen Trick, um einen Angriff auf die Versorgungsstraße nach Aleppo vorzubereiten. Seit Sonntag wurden bei den Kämpfen laut Beobachtungsstelle 29 Rebellen getötet. Die Regierung warf den Rebellen vor, die landesweite dreitägige Waffenruhe verletzt zu haben.

In Syrien kämpfen die Regierungssoldaten gegen verschiedene Rebellengruppen sowie die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS), die im Osten ihre Hochburgen hat. Kämpfe gegen den IS sind von Feuerpausen grundsätzlich ausgenommen.

Der UNO zufolge leben 600.000 Syrer in belagerten Gebieten. Oft verfügen sie weder über Nahrungsmittel, noch über medizinische Versorgung. Meistens erfolgt die Belagerung durch Regierungstruppen, aber auch Rebellen greifen zu diesem Mittel. Seit Beginn des Bürgerkrieges im März 2011 wurden mehr als 280.000 Menschen getötet. Millionen Menschen ergriffen die Flucht. (APA/Reuters, 11.7.2016)