Küssel (Zweiter von rechts) auf Ausgang. Das Foto wurde unter anderem dem STANDARD zugespielt, stammt von der Gruppe "Antifa Recherche Wien" und kann frei unter der CC-2.0-Lizenz verwendet werden.

Foto: Antifa Recherche Wien

Der mehrfach verurteilte Neonazi Gottfried Küssel, der seit Jänner 2013 eine vom Obersten Gerichtshof auf sieben Jahre und neun Monate heruntergestufte Haftstraße wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verbüßen muss, ist vor wenigen Wochen gemeinsam mit anderen Rechtsextremen, darunter eine Person aus dem Umfeld der Identitären-Bewegung, fotografiert worden. Küssel traf sich offenbar auf dem Uni-Campus mit Bekannten, um ein EM-Spiel der deutschen Nationalmannschaft zu sehen. Auch weitere bekannte Rechtsextreme waren darunter.

Küssels Anwalt bestreitet auf STANDARD-Anfrage, dass es sich um ein rechtsextremes Treffen handelte. Küssel sei mit seinem Sohn zum Public Viewing gegangen und habe dort den "Taufpaten" seiner Tochter, "einen sicherheitsüberprüften Security-Angestellten", getroffen. Die übrigen Teilnehmer habe er nicht gekannt. Daraus ein Rechtsextrementreffen zu machen sei "ärgerlich".

Treffen könnte "Konsequenzen" haben

Auf Anfrage des STANDARD heißt es aus dem Justizministerium, dass Küssel "nach wie vor im Strafvollzug" sei. Es stimmt allerdings, dass er zu diesem Zeitpunkt "Ausgang" hatte. Nun werde geprüft, ob das Treffen für Küssel "Konsequenzen" haben werde.

"Nicht besonders gefährlich"

Das Gesetz sieht vor, dass Strafgefangenen Ausgang gewährt werden kann, wenn diese als nicht "besonders gefährlich" gelten und die noch zu verbüßende Strafzeit drei Jahre nicht übersteigt. Ob jemand als gefährlich eingestuft wird, richte sich nach der Art der Straftat, nach dem Tatmotiv, aber auch dem Lebenswandel vor der Inhaftierung und dem Verhalten im Gefängnis. Die Gefahr muss sich nicht nur gegen andere Menschen richten, auch die "Sicherheit des Staates" ist ein Kriterium. Für die Unterbrechung kann es Auflagen geben, auch eine Fußfessel ist denkbar.

Die Fotos, die laut APA von der Webseite "Antifa Recherche Wien" stammen, zeigen Küssel gemeinsam mit einem Bekannten von Identitären-Chef Martin Sellner. Beide nahmen 2009 mit Küssel am sogenannten Nowotny-Gedenken teil, bei dem sich Rechtsextreme, Neonazis und Burschenschafter, aber auch Politiker der FPÖ treffen, um jährlich dem Wehrmachtspiloten Walter Nowotny ihre Ehre zu erweisen. Küssels Anwalt betont im STANDARD-Gespräch, sein Mandant habe die Person aus dem Identitären-Umfeld "zum ersten Mal gesehen".

"Pubertäre Phase"

Identitären-Chef Sellner nannte seine frühere Unterstützung für Küssel das Produkt einer "überschwänglichen pubertären Phase". Auf Twitter schrieb Patrick Lenart, Kochef der Identitären-Bewegung Österreich, dass die rechtsextreme Bewegung den Nationalsozialismus "klar" ablehne und "mit Küssel nicht zu tun" habe. Außerdem stehe die Person, die mit Küssel abgebildet wurde, in keinem Naheverhältnis zu den Identitären. Allerdings wurde der Abgebildete auf Identitären-Demos gesichtet, außerdem richtete Sellner ihm auf Twitter durch dessen Frau "Grüße" aus.

Die Identitären bemühen sich, ihre Verbindungen zu Neonazis und alten rechtsextremen Kadern zu verschleiern. Offiziell möchte man mit diesen nichts zu tun haben. An Identitären-Demos in Wien nahmen allerdings wiederholt auch Neonazis aus Deutschland teil, deren Verbindungen sogar bis zu Mitangeklagten im Prozess gegen die Terrorgruppe NSU reichen.

Das antifaschistische Bündnis Offensive gegen Rechts kommentiert, dass man "seit Beginn auf die Verbindungen zwischen Küssel und den Identitären" hingewiesen habe: "Offenbar funktioniert die Deradikalisierung nicht besonders gut." Das Bündnis fordert Politik, Polizei und Justiz auf, die "rechtsextreme Gefahr ernst zu nehmen". (fsc, sterk, sum, 11.7.2016)