Wien – Die Welt steckt voller Wunder – vor allem solcher technischer Natur. Das wird im Prozess gegen Heidelinde F. klar, die wegen Nötigung mittels massiver telekommunikativer Morddrohungen vor Richterin Daniela Zwangsleitner sitzt.

Dass die Geschichte etwas schwierig ist, zeigt Verteidiger Ernst Schillhammer schon anhand der mitgebrachten Akten – der Stapel ist ungefähr einen halben Meter hoch. "Wir kennen mittlerweile alle Polizeiinspektionen in Donaustadt. Es hagelt Anzeigen wegen dieser angeblichen Drohungen."

Dass seine Mandantin, eine 20-jährige Schülerin, schon zweimal vom Gericht verurteilt worden ist, bestreitet er nicht. Aber es scheine sich um einen erbitterten Kleinkrieg zwischen mehreren Transdanubierinnen, teils ehemals befreundet, zu handeln.

Angeklagte kennt Opfer nicht

Die Einvernahme der Angeklagten durch Zwangsleitner gehört eher zu den kürzesten der Rechtsgeschichte. "Kennen Sie das Opfer?", fragt sie. "Nein. Und ich habe diese SMS auch nicht geschrieben. Die hat jemand unter meiner Nummer geschickt." Damit ist diese Prozessphase auch schon wieder beendet.

Auch das Opfer, eine 41-Jährige, kann wenig beitragen. Sie habe die Angeklagte nur zweimal bei anderen Prozessen gesehen. "Haben Sie schon einmal daran gedacht, die Handynummer zu wechseln?", fragt die Richterin. "Da muss ich erst meine Sachwalterin fragen, ob das geht."

Ein Polizist, der in den Fällen ermittelt, will sich nicht festlegen, welche Seite glaubwürdiger ist. "Es werden alle was dazu beitragen, aber wer das größere Schäuferl beiträgt, kann ich noch nicht sagen." Er warte nämlich noch auf Ergebnisse technischer Analysen durch das Landeskriminalamt, die den Weg der Droh-SMS nachzeichnen sollen.

In Feindschaft geschieden

Auftritt der dritten Zeugin, die früher einmal eine enge Freundin der Angeklagten war. "Kann man sagen, dass Sie in Feindschaft auseinandergegangen sind?", interessiert Zwangsleitner. "Ja."

Dann eine überraschende Eröffnung: "Sie (die Angeklagte, Anm.) hat mir gestern schon wieder was geschrieben?" – "Können Sie das vorlesen?" Die Zeugin kann. Der Ton der Botschaften ist unfreundlich: "Sag morgen ja nix Falsches aus", beispielsweise, oder "Du Scheiß-Bitch, ich bring dich um!", dazu ein Lied, das sich um den Satz "Ich töte dich" dreht.

"Glauben Sie wirklich, Frau F. ist so blöd, dass sie solche Sachen von ihrem eigenen Handy schickt?", fragt Zwangsleitner die Zeugen. Die schweigt. Verteidiger Schillhammer stellt klar, dass weder die Mandantin noch er überhaupt gewusst haben, dass die 21-Jährige kommt, da sie im Strafantrag nicht als Zeugin geführt ist.

Vorbildliche Staatsanwältin

Dann greift Staatsanwältin Gabriele Müller-Dachler ein und demonstriert vorbildlich, dass die Anklagebehörde auch Entlastendes zu ermitteln hat. Aus früheren Verfahren weiß Sie, dass es tatsächlich – und ziemlich problemlos – möglich ist, via Internet Nachrichten zu verschicken, die eine falsche Absendernummer zeigen.

Sie erklärt, dass ein Sachverständiger rasch klären könne, ob die SMS von einem bestimmten Mobiltelefon stammen, selbst wenn die Nachrichten schon gelöscht wurden. Und fordert die Angeklagte auf, ihr das Handy zu geben – was die ohne Zögern macht. Auch danach zeigt die 20-Jährige keinerlei Ausdrucksänderungen – was auf schauspielerische Fähigkeiten hinweisen oder Unschuld bedeuten kann.

Richterin Zwangsleitner kennt als Jugendrichterin die Probleme ihrer Klientel und drängt darauf, der Angeklagten ihr Handy so rasch wie möglich wieder auszuhändigen. "Mir wären zwei Wochen egal, aber bei Jugendlichen ..." Müller-Dachler verspricht das, die Verhandlung wird auf den 7. September vertagt. (Michael Möseneder, 27.7.2016)