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In Uruguay gibt es im internationalen Vergleich besonders viele Raucher. Die Regierung hat die Anti-Tabak-Kampagnen daher verschärft.

Foto: AP/Matilde Campodonico

Wien – 25 Millionen US-Dollar Schadenersatz hat der Tabakkonzern Philip Morris von Uruguays Regierung verlangt. Aber dem Marlboro-Hersteller ging es nie ums Geld, sagen die Experten der Weltgesundheitsorganisation WHO und die Anwälte des südamerikanischen Landes bei der Washingtoner Anwaltskanzlei Foley Hoag unisono.

Ihrer Meinung nach hat Philip Morris mit seiner Klage gegen Uruguay versucht, ein Exempel zu statuieren, um der Tabakindustrie eine ihrer letzten verbliebenen Werbemöglichkeiten zu erhalten. Der Versuch ist gründlich gescheitert. Wie am Wochenende bekannt wurde, hat das Schiedsgericht der Weltbank in Washington die vor sechs Jahren eingebrachte Klage von Philip Morris abgeschmettert.

Heikle juristische Fragen

Das aus drei ad hoc bestellten Juristen bestehende Tribunal hatte dabei über eine Reihe von heiklen juristischen Fragen zu entscheiden. Philip Morris hatte gegen zwei Anti-Raucher-Maßnahmen in Uruguay geklagt. 2009 hatte man in Montevideo die damals strengsten Vorschriften für Zigarettenpackungen erlassen.

Per Verordnung wurde festgelegt, dass auf jeder Verpackung Schockbilder gezeigt werden müssen, so etwa ein Mann, der durch ein Tracheostoma, eine Luftröhrenöffnung, Rauch ausbläst. Die Bilder mussten 80 Prozent der Packung abdecken. In Österreich sind die schriftlichen Warnhinweise nicht einmal halb so groß.

Zugleich wurde der Verkauf von Tabak mit der Aufschrift "light" untersagt, weil damit Kunden suggeriert würde, diese Zigaretten seien weniger schädlich. Philip Morris musste daraufhin einige seiner Marlboro-Produkte vom Markt nehmen.

Nachdem Philip Morris in Uruguay vergeblich gegen die Vorgaben prozessiert hatte, wandte man sich 2010 an das Schiedsgericht in Washington. Als Basis für die Klage berief man sich auf ein Investitionsschutzabkommen zwischen Uruguay und der Schweiz aus dem Jahr 1988. Das war gedeckt, weil der Sitz von Philip Morris International in Lausanne ist.

Indirekte Enteignung

Der Tabakkonzern behauptete, durch die strikten Anti-Raucher-Bestimmungen in Uruguay indirekt enteignet worden zu sein. Der Markenname sei durch die vielen Auflagen nichts mehr wert. Diese Argumentation war juristisches Neuland. Im Regelfall klagen Konzerne gegen eine direkte Enteignung, etwa weil ein Staat einem Unternehmen ein Abbaurecht für ein Rohstoff entzieht. Den eigenen Verlust machte Philip Morris daran fest, dass man Jahre zuvor einen Tabakproduzenten in Uruguay (Abal) erworben hatte. Dieses Investment sah man als völlig entwertet an.

Die drei Schiedsrichter halten in ihrem Spruch zunächst prinzipiell fest, dass die eklatante Verletzung eines Markennamens theoretisch eine ungerechtfertigte Enteignung darstellen kann. Doch Markenschutz bedeute bloß, dass kein anderer Konzern Produkte unter dem gleichen Namen verkaufen darf. Staatliche Eingriffe in Markenrechte seien dagegen völlig legitim. Vor allem dann, wenn bestimmte anerkannte Ziele verfolgt werden, wie in diesem Fall der Schutz der Gesundheit, schreiben die Richter.

Keine Diskriminierung

Einzige Voraussetzung müsse sein, dass die Eingriffe nicht diskriminierend erfolgen. Die gegen Philip Morris verhängten Anti-Raucher-Bestimmungen betrafen alle Zigarettenhersteller, waren daher also nicht benachteiligend, heißt es im Schiedsspruch.

Zudem wird festgehalten, dass Philip Morris schon deshalb nicht enteignet wurde, weil der Konzern in Uruguay nach dem Erlass der Anti-Raucher-Gesetze profitabler operierte als zuvor. Das Argument des Konzerns, ohne die Auflagen wäre man noch profitabler gewesen, wurde verworfen.

Der Ausgang des Verfahrens ist für die WHO ein Erfolg. Zigarettenschachteln sind für die Tabakindustrie ein wunder Punkt: 2005 ist die WHO-Tabakkonvention in Kraft getreten. Diese internationale Konvention belegt Zigarettenproduzenten mit einem Werbeverbot. Alle Formen von Werbung und Promotion sollen gebannt werden. 168 Staaten haben den Vertrag unterzeichnet. Laut WHO halten sich zwei Drittel der Länder an die Vorgaben, Tendenz steigend. Tabakwerbung in TV und Radio könnte weltweit also bald verschwinden. Die Zigarettenschachteln, die jeder Raucher mit sich herumträgt, sind also eine der wenigen verbliebenen Werbeflächen für die Industrie.

Bei der WHO fürchtete man, Philip Morris könnte mit einem Sieg gegen Uruguay andere Schwellenländer unter Druck setzen, damit diese nicht übereifrig beim Raucherschutz werden. Dem ist nicht so. Der Entscheid in Washington binde andere Schiedsgerichte zwar nicht, sagt der auf internationale Verfahren spezialisierte Jurist Christoph Schreuer, er entfalte aber in der Regel eine starke Präzedenzwirkung. Die Gerichtskosten im Verfahren muss Philip Morris begleichen. (András Szigetvari, 10.7.2016)