"Langfristig gesehen könnte sowohl das europäische als auch das britische Gesundheitssystem von einer wachsenden Bereitschaft profitieren, neue Technologien, Geschäftsmodelle und Innovationen einzuführen", glaubt man beim Beratungsunternehmen Frost & Sullivan.

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Tritt Großbritannien als Folge des Brexit-Referendums aus der Europäischen Union aus, steht das nationale Gesundheitssystem NHS (engl. National Health Service) laut des Beratungsunternehmens Frost & Sullivan vor enormen Herausforderungen. Trotz Sparmaßnahmen müssten die Qualität der gesundheitlichen Versorgung erhalten bzw. verbessert werden, heißt es.

"Der wachsende Arbeitskräftemangel stellt ein erhebliches Problem für das britische Gesundheitssystem dar. Kürzungen, sowohl in der medizinischen Primär- als auch Langzeitversorgung, werden Krankenhäuser dazu zwingen, auch weiterhin unverhältnismäßige Belastungen bei der Gesundheitsversorgung auf sich zu nehmen", sagt Tanvir Jaikishen, Senior Research Analyst bei Frost & Sullivan. Die Anwerbung ausgebildeter Ärzte und von Pflegepersonal aus der EU wird durch die Austrittsentscheidung maßgeblich beeinflusst. Das wiederum werde zu längeren Wartezeiten und einer verzögerten Gesundheitsversorgung führen.

Der NHS versucht derzeit ein ambitioniertes Ziel zu erreichen, nämlich eine Effizienzeinsparung von GBP 22 Milliarden bis 2020. Diese Einsparungen sollen durch Umstellungen der Versorgung im Krankenhaus bis hin zur Primärversorgung und Langzeitpflege gelingen. Derzeit werden 78 Prozent des NHS-Haushalts für die Krankenhauspflege aufgebracht, nur 15 Prozent gehen in die Primärversorgung, und fünf Prozent in weitere Services und Sozialpflege.

Schlechtere Versorgung befürchtet

"Einsparungen können also nur durch eine allmähliche Verschiebung der Ausgaben ermöglicht werden. Doch diese Umstellung wird durch mangelndes Fachkräftepersonal und Mittelknappheit ausgebremst. Bei weiterhin steigenden Gesundheitskosten werden die Einsparungen also mit einer schlechteren Gesundheitsversorgung einhergehen", so Jaikishen.

Langfristig gesehen könnte sowohl das europäische als auch das britische Gesundheitssystem von einer wachsenden Bereitschaft profitieren, neue Technologien, Geschäftsmodelle und Innovationen einzuführen. "Die aktuelle Entwicklung in Europa und die mit ihr verbundenen temporären finanziellen Auswirkungen könnten die Einführung von Technologien vorantreiben, die die outcome-orientierte Gesundheitsversorgung zum Ziel haben", glaubt man bei Frost & Sullivan.

Überdies sei zu erwarten, dass die Genehmigungsverfahren für neue Medikamente und Medizintechnik wie auch die Kooperation zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor (engl. private public partnerships, PPP) in Europa ansteigen. "Der Brexit kann als Funke betrachtet werden, der eine längst überfällige Revolution in der Gesundheitsbranche auslösen wird", so Jaikishen. (red, 8.7.2016)