Schlafende Flüchtlinge im Hafen von Piräus: Die Umverteilung von Griechenland auf andere EU-Länder wurde bislang kaum umgesetzt.

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Bratislava/Wien – Mit gutem Recht darf das Wort "heikel" gebraucht werden. Damit ist nicht nur die emotionsgeladene Flüchtlingskrise gemeint, sondern auch, dass die EU-Innenminister am Donnerstag just in Bratislava über die Reform des europaweiten Asylsystems und über einen gemeinsamen Grenz- und Küstenschutz berieten – also in der Hauptstadt eines EU-Mitglieds, das sich vehement gegen eine Flüchtlingsverteilung in der Union ausspricht.

Doch die Slowakei hat nun einmal am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Der luxemburgische Außen- und Migrationsminister Jean Asselborn dachte sich angesichts dieser Konstellation offenbar, dass er da gleich zu Beginn etwas klarzustellen hat. Und so riet er der Slowakei am Donnerstag: "Wenn man die Präsidentschaft innehat, sind die nationalen Gefühle zu unterdrücken, man ist dann europäisch, und ich nehme an, dass die Slowakei das auch machen wird."

Proteste im Parlament

Der slowakische Premier Robert Fico meinte zuletzt, dass es in seinem Land keinen Platz für den Islam gebe. Übrigens kam es zeitgleich mit dem Treffen der EU-Innenminister im nahe gelegenen slowakischen Parlament zu Protesten. Die Regierungsparteien hatten nämlich beschlossen, dass die laufende Misstrauensdebatte gegen Fico – es geht um Korruptionsvorwürfe – erst im September fortgesetzt wird.

Was die Flüchtlingskrise betrifft, hatte Asselborn auch zu Ungarns jüngst angekündigtem Flüchtlingsreferendum eine Meinung: "Stellen wir uns vor, jedes Land in Europa würde dasselbe tun, dann können wir den Laden zumachen, was die Werte angeht, dann missachten wir die Genfer Konvention und wir sind zwar noch ein Verein, aber ein wertloser Verein. Wenn Ungarn das macht, setzt es sich ins Abseits."

Die Slowakei und Ungarn gehören zu den schärfsten Gegnern einer verpflichtenden Flüchtlingsaufteilung auf die EU-Länder. Grundsätzlich kommt die im September 2015 beschlossene Umverteilung von Flüchtlingen aus Griechenland und Italien auf die anderen Unionsmitglieder nur schleppend voran – laut EU-Kommission wurden bislang lediglich 1.503 Asylsuchende aus Griechenland und 777 aus Italien umverteilt. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) plädierte deshalb dafür, "andere, freiwillige Formen der Solidarität zuzulassen".

Neuer EU-Vorschlag

Zum Abschluss des Ministertreffens sagte EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos, man werde "in Richtung Rückübernahme und Abschiebung zu arbeiten beginnen". Abschiebungen und Rückführungen seien aus seiner Sicht "der wesentliche Punkt", betonte auch der slowakische Innenminister Robert Kaliňák in Bratislava. Nächste Woche will die EU-Kommission einen Vorschlag zu einem gemeinsamen europäischen Asylsystem präsentieren. Beinhaltet er erneut eine verpflichtende Flüchtlingsverteilung, ist Widerstand aus den üblichen Staaten vorprogrammiert. Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière meinte skeptisch, dass es schwierig sei, dafür eine Mehrheit zu finden.

Sobotka war am Donnerstag zumindest auch indirekt in eine andere Streitigkeit involviert. Sein Sprecher nämlich verlautete, dass Ungarn weiter an der Grenze zu Österreich kontrollieren werde. Diese Absicht teilte der ungarische Botschafter in Wien, János Perényi, dem Innenministerium bei einem Gespräch mit, ohne eine Begründung zu nennen, so Sobotkas Sprecher.

Gleichzeitig erklärte Ungarns Außenminister Péter Szijjártó bei einer Pressekonferenz in Budapest, die österreichischen Grenzkontrollen seien "ungerechtfertigt", da Ungarn an der serbisch-ungarischen und der kroatisch-ungarischen Grenze "seinen Job" erledige. Dies wiederum sieht das Innenministerium in Wien anders und verweist darauf, dass jede Woche hunderte aus Ungarn kommende Flüchtlinge aufgegriffen würden. (red, APA, 7.7.2016)