Medienminister Thomas Drozda übernimmt die Baustellen von Vorgänger Josef Ostermayer: etwa ORF, Presseförderung, Inserate, Leistungsschutzrecht und Transparenzgesetz.

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STANDARD: Gehen Sie davon aus, dass Alexander Wrabetz das Rennen um den ORF-Generaldirektor machen wird? Mit Richard Grasl gibt es ja einen zweiten Kandidaten.

Drozda: Ich gehe davon aus, dass er die Unterstützung der Mehrheit der Stiftungsräte haben wird – wie bei den letzten zwei Wahlen auch. Jemand, der zehn Jahre Erfahrung in dieser Funktion hat, ist hochqualifiziert und hat für die Wiederwahl gute Chancen. Durch seinen guten Ruf bei den Stiftungsräten halte ich das für sehr wahrscheinlich.

STANDARD: Könnten Sie auch mit Richard Gral als ORF-General leben?

Drozda: Aus meiner Zeit als ORF-Stiftungsrat kenne ich Richard Grasl gut. Es ist keine Frage, ob man mit jemandem leben kann. Man muss mit jemandem, der diese Funktion hat, gut zusammenarbeiten. Die Antwort ist also: Ja.

STANDARD: Kolportiert wird, dass die SPÖ mit einem internationalen Medienmanager eine dritte Person sucht, die für den ORF infrage käme. Ist da etwas dran?

Drozda: Es ist nicht die Aufgabe der SPÖ, Kandidaten zu suchen. Es gibt einen Stiftungsrat und einen Generaldirektor, der wieder kandidiert. Damit beschäftige ich mich nicht.

STANDARD: Im Herbst steht die Evaluierung der ORF-Gebühren an. Eine Erhöhung ist wahrscheinlich. Was halten Sie von der Idee einer Haushaltsabgabe?

Drozda: Der Wunsch nach einer Gebührenerhöhung ist noch nicht an mich herangetragen worden. Die Haushaltsabgabe, wie sie beispielsweise unter großer medialer Anteilnahme in Deutschland eingeführt wurde, ist jedenfalls nichts für diese Legislaturperiode.

STANDARD: Sie halten am Gebührenmodell fest?

Drozda: Jedenfalls für die nächsten 18 Monate bis zur nächsten Nationalratswahl. Ich bin kein prinzipieller Gegner der Haushaltsabgabe, es gibt gute Argumente dafür. Dieser komplexen Debatte sollten wir uns dann stellen, wenn es um ein neues Regierungsübereinkommen geht. Es geht nicht darum, ein Aufkommen für den ORF sicherzustellen, sondern generell um Medienförderung und wie wir Journalismus auf einem qualitativ guten Niveau mit gut ausgebildeten Leuten für die Zukunft sichern. Das betrifft Print, Fernsehen, Radio und Digital.

STANDARD: Diskussionen über politische Abhängigkeiten des ORF gibt es schon lange. Auch diese Wahl ist eine politische Wahl. Welche Überlegungen gibt es, den ORF unabhängiger zu machen, indem man etwa die Beschickung des Stiftungsrats ändert?

Drozda: Der Stiftungsrat ist deutlich besser als sein Ruf. Der ORF ist Teil der öffentlichen Sphäre und wird es auch immer bleiben. Eine Eigentümerrolle muss von jenen wahrgenommen werden, die das Unternehmen finanzieren. In den letzten Jahren wurde von ORF-Journalisten sehr klar gesagt, dass sie schon lange nicht mehr – oder vielleicht sogar noch nie – so unabhängig arbeiten konnten. Der ORF steht gut da, und mit dieser Struktur ist die journalistische Unabhängigkeit sichergestellt. Letztendlich ist es auch immer eine Frage der Persönlichkeiten, wie unabhängig diese das Unternehmen positionieren. Ein Armin Wolf etwa äußert sich auf Twitter als Journalist, der unabhängig arbeiten kann. Job der Führung ist es, diese journalistische Unabhängigkeit sicherzustellen. Das macht sie sehr gut. Man kann keine Abhängigkeit daraus konstruieren, dass jemand entscheidet, wer Generaldirektor oder Fernsehdirektor wird.

STANDARD: Und der Stiftungsrat?

Drozda: Aufsichtsräte, die Bestellungen vornehmen, sind kein Kriterium von Abhängigkeit. Das gibt es in jedem Medienunternehmen. Man kann sich fragen, wie vernünftig es ist, 35 Stiftungsräte vorzuschlagen. Ich glaube aber, dass die Bundesregierung, die Bundesländer, die Parteien ein Teil der öffentlichen Sphäre sind, und dass man den einen oder anderen Exponenten der Zivilgesellschaft im Stiftungsrat hat, ist sicher nicht falsch. Dieses Modell hat sich in der Praxis bewährt, ich verschließe mich aber keiner Diskussion.

STANDARD: Dass im ORF in schöner Regelmäßigkeit bis hinunter zu Hauptabteilungsleitern politische Wünsche erfüllt werden und erfüllt werden müssen, werden Sie nicht abstreiten, oder?

Drozda: In meinen Jahren als Stiftungsrat habe ich keinen politischen Wunsch erfüllt und keinen artikuliert. Und ich war auf einem Bundesregierungsticket im Stiftungsrat. Am Ende ist es von den Akteuren abhängig, und dass es Interessen gibt, ist keine Frage. Die Frage ist, wie die Führung damit umgeht. Dass Journalisten unabhängig arbeiten können, hat die Politik sicherzustellen.

STANDARD: Werden Sie an der Alleingeschäftsführung im ORF rütteln?

Drozda: Nein, weil ich finde, dass sich das Modell bewährt hat. Ich habe selbst ein Unternehmen als Alleingeschäftsführer geführt und finde diese Struktur mit einer klar geregelten Verantwortung besser als eine, bei der sich vier Personen im Abtausch überlegen, wie sie ihre Projekte durchwinken.

STANDARD: Ist der öffentlich-rechtliche Auftrag von seiner Definition her klar genug verankert?

Drozda: Auf gesetzlicher Ebene ist er klar verankert. Einen Reformbedarf sehe ich nicht. Der Auftrag wird von ja von Behörden kontrolliert und verifiziert. Alles andere ist eine Geschmacksdiskussion. Manche verstehen den öffentlich-rechtlichen Auftrag als eine Art ORF 3 auf allen Kanälen. Ich kenne aber Menschen, die ORF 3 noch nie aufgedreht haben. Mit dieser Flottenstrategie in der Breite, dem Marktanteil und der täglichen Reichweite scheint es gut zu funktionieren.

STANDARD: Gilt Zuwarten wie bei der Haushaltsabgabe für die Medienförderung insgesamt? Finanzminister Schelling hat wissen lassen, dass nichts drinnen ist.

Drozda: Das gehört zu Budgetverhandlungen, dass der Finanzminister möglichst wenig bereitstellen will. Ich möchte jedenfalls heuer das Thema Medienförderung angehen. Im September soll es dazu eine Enquete geben, wie journalistische Qualität sichergestellt werden kann. Ich halte den derzeitigen Betrag für nicht ausreichend.

STANDARD: In welcher Größenordnung soll sich die Presseförderung bewegen? Die Verleger fordern ja statt neun Millionen über 30 Millionen Euro jährlich.

Drozda: Eine Verdreifachung mit einem Schlag wird nicht möglich sein. Mein Ziel ist aber eine deutliche Erhöhung, weil das eine entscheidende Frage für die Demokratie ist.

STANDARD: Die Förderung soll ja entlang von Qualitätskriterien laufen, haben Sie gesagt. Etwa Ausbildung von Journalisten oder Größe des Korrespondentennetzwerks. Was sind Ihre Parameter?

Drozda: Kriterien sollen etwa die Qualität von Journalismus und die Ausbildung sein. Ich würde lieber Inhalte fördern als die Vertriebsschiene. Im Mittelpunkt soll nicht das Unternehmen sein, das Journalisten beschäftigt, sondern der Content in allen Ausgabeformen. Perspektivisch halte ich die Inhalte für das einzige entscheidende Kriterium. Auch im Bewusstsein, dass ich gerade mit Printjournalisten diskutiere. Der Wandel wird in den nächsten Jahren noch radikaler werden, deswegen müssen wir jetzt die durch die Digitalisierung bedingten Weichen stellen.

STANDARD: Wohin?

Drozda: Wegen Google und Facebook hat sich viel geändert hat. Sie lukrieren einen Gutteil der Werbegelder. Die Situation erinnert mich frappant an jene vor 15, 20 Jahren, als Privatfernsehen mit Werbefenstern begonnen hat, einen Teil der Werbegelder abzuschöpfen. Als Gerhard Zeiler ORF-Generaldirektor war (1994–1998, Anm.), finanzierte sich der ORF je zur Hälfte aus Gebühren und Werbung. Jetzt ist das Verhältnis wahrscheinlich bei 75 zu 25 Prozent. Unser Interesse muss sein, heimischen Journalismus zu finanzieren und nicht Abflüsse von 300 Millionen Euro zu haben, ohne dass hier eine maßgebliche Wertschöpfung stattfindet.

STANDARD: Wollen Sie auf EU-Ebene aktiv werden, um das Abfließen der Werbegelder zu verhindern?

Drozda: Das brutalste Modell ist aus Ungarn mit einem Prozentsatz auf Werbeeinahmen ausländischer Medien gekommen. Das war EU-rechtswidrig. Die Frage ist, wie man den Journalismus sichert und nicht denjenigen in die Hände spielt, die Algorithmen entwickeln und damit den Content absaugen, den andere wochenlang recherchieren. Das ist das zentrale Problem, und da hoffe ich, dass wir auf der EU-Ebene eine Lösung finden, um zu verhindern, dass die einen mit dem Geld verdienen, was die anderen produzieren.

STANDARD: Das Medientransparenzgesetz ist ziemlich lückenhaft, das zeigen "Dossier"-Recherchen und Rechnungshofberichte. Der Rechnungshof geht davon aus, dass 30 bis 50 Prozent der Inserate nicht gemeldet werden. Die Inserate öffentlicher Stellen dürften also irgendwo zwischen 200 und 300 Millionen im Jahr liegen. Es wird zwar ausgewiesen, welche Medien Gelder bekommen, aber nicht, wofür. Sollen diese Lücken geschlossen werden?

Drozda: Ich finde die gesetzliche Grundlage gut, und das Gesetz ist singulär in Europa.

STANDARD: Spricht man mit Kollegen aus anderen Ländern, dann wird klar, dass diese Korruption über Inserate ein spezifisch österreichisches Problem ist.

Drozda: Korruption ist ein Begriff, den ich zurückweise. Es herrscht Transparenz. Quartalsweise muss alles über 5.000 Euro berichtet werden. Ich orte keinen Veränderungsbedarf. Bei der Bundesregierung reden wir nicht über 200 Millionen Euro für Inserate pro Jahr, sondern über 15 Millionen. Im Bundeskanzleramt sind es 2,5 Millionen. Für die bin ich unmittelbar zuständig. Hier wird strikt nach Reichweiten und Marktanteilen entschieden. Das wäre für die gesamte Regierung sinnvoll. Genauso wie eine Koordinierung, um die großen Aktivitäten zu bewerben. Wenn es eine neue Start-up-Initiative oder eine neue Gewerbeordnung gibt, sollte das kommuniziert werden. Weniger sinnvoll ist, dass jedes Ressort über Details aus der Arbeit berichtet.

STANDARD: Wie soll zwischen den Ressorts koordiniert werden? Über eine eigene Agentur, die sich strikt an Mediapläne hält?

Drozda: Ich würde die Vergabe strikt nach Marktanteilen machen. Einmal im Quartal oder zweimal pro Jahr sollten sich auf Regierungsebene ausgewählte Regierungsmitglieder zusammensetzen und die Schwerpunkte der Arbeit definieren, über die wir informieren wollen. Informiert werden soll entlang dieser großen Regierungslinien und nicht etwa: "Wir sind die Polizei" oder "Das ist unser Heer".

STANDARD: Die deutsche Regierung gibt insgesamt für die gesamte Öffentlichkeitsarbeit 48 Millionen Euro aus. Da ist jeder Broschüre, jedes Plakat und jeder Spot eingerechnet. Im Vergleich sind die Ausgaben der österreichischen Bundesregierung wirklich hoch.

Drozda: Ich bestreite nicht, dass es hoch ist. Der richtige Weg wäre, Inseratenbudgets tendenziell zu reduzieren und mit dem Geld etwa eine bessere Presseförderung zu machen.

STANDARD: Es gibt bei Inseraten Methoden von Verlegerinnen und Verlegern gegenüber Politik und Managern, die an Erpressung erinnern. Wir haben Beispiele gefunden, wo Inserate freihändig vergeben wurden. Das Gesundheitsministerium hat für ein Inserat mehr als den Listenpreis bezahlt. Sind Ihnen diese Methoden bekannt, oder mussten Sie selbst Inserate schalten?

Drozda: Das wusste ich nie, und ich hätte es auch nicht gemacht. Hat man einen Etat zu verantworten, ist das fremdes Geld, das man nach rational begründbaren Kriterien vergeben muss. Dass es immer wieder einmal die Idee gab, das eine oder andere Inserat zu erhalten, ist ein Faktum. Man muss es aber nicht tun, das ist meine Erfahrung.

STANDARD: Was können Sie als Medienminister machen, um eine Hygiene in diesem Sektor herbeizuführen? Die einen klagen über Förderung des Boulevards durch Inserate, die anderen über die Presseförderung.

Drozda: Mein Beitrag ist, das Inseratenthema auf eine vernünftige, intersubjektiv überprüfbare Basis zu stellen und perspektivisch das Budget dafür zu reduzieren. Das andere ist, eine Presseförderung nach objektiven Kriterien aufzustellen. Mein Vorschlag zur Hygiene ist, dass das eine Budget sinkt und das andere erhöht wird. Ich habe diesbezüglich auch eine Diskussion mit der Stadt Wien, die sehr an diesen Vorschlägen interessiert ist. Gelingt es uns vom Kanzleramt aus, es auf der Ebene der Regierung zu koordinieren, ist viel erreicht, und wenn die eine oder andere Gebietskörperschaft das für eine gute Idee hält, wäre das kein Nachteil.

STANDARD: Das würde bedeuten, dass der Boulevard weniger Inseratengeld von der öffentlichen Hand erhält. Welche Reaktionen erwarten Sie?

Drozda: Den Inseratenetat werden wir sukzessive kürzen und uns wie jedes Unternehmen überlegen, wie wir unsere Werbeausgaben aufteilen. Als Regierung müssen wir uns bei Inseraten keine anderen Fragen stellen als Unternehmen. Wie bringe ich mein Produkt an die Frau oder an den Mann?

STANDARD: Zur Informationsfreiheit: Sie haben gesagt, dass die Abschaffung des Amtsgeheimnisses bis Herbst über die Bühne gehen soll. Wie ist der aktuelle Stand?

Drozda: Ich halte es für einen totalen Anachronismus zu sagen, dass es eine Holschuld der Bürger ist. Abgesehen von sensiblen Bereichen soll der Staat sagen und erklären, was er tut. Mit den Verfassungssprechern der anderen Parteien sind wir einig, dass wir bis Herbst eine Lösung haben möchten. (Oliver Mark, 7.7.2016)