Wien – Die Wirtschaftskrise hat tiefe Spuren hinterlassen. Nicht nur bei jenen Menschen, die seit 2008 ihren Job verloren haben. Der Konjunktureinbruch hat weltweit dazu geführt, dass die Reallöhne der Beschäftigten kaum gestiegen sind – in einigen Staaten wie Griechenland oder Lettland mussten die Menschen sogar extreme Gehaltseinbußen hinnehmen.

Das ist eine der Hauptaussagen des am Donnerstag vorgestellten Arbeitsmarktberichts der Industriestaatenorganisation OECD. Der durchschnittliche Stundenlohn ist demnach inflationsbereinigt in den reichen Ländern der Welt zwischen 2007 und 2015 pro Jahr nur noch um 0,5 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Zwischen 2000 und 2007, als der Boom endete, lag der jährliche Zuwachs mehr als doppelt so hoch.

Weit hinten im Länderranking liegt Österreich. Die Stundenlöhne sind hier zwischen 2007 und 2015 pro Jahr um 0,4 Prozent gestiegen. Zur Veranschaulichung: Bei einem Verdienst von zehn Euro in der Stunde bedeutet dies einen Lohnanstieg von knapp 30 Cent in der Periode. In der Bundesrepublik war der Anstieg deutlich höher.

Grafik: Standard

Im internationalen Vergleich präsentiert sich der österreichische Arbeitsmarkt aber immer noch ganz robust, zumindest wenn man sich das Gesamtbild ansieht. Im OECD-Raum ist die Zahl der Beschäftigten als Folge der Wirtschaftskrise dramatisch gefallen. Im Jahr 2010 waren 20 Millionen Menschen weniger beschäftigt als noch drei Jahre davor. Heute sind es immer noch rund fünf Millionen Beschäftigte weniger als vor Krisenausbruch.

Die OECD geht davon aus, dass das Vorkriseniveau in ihren 35 Mitgliedsländern erst 2017 erreicht wird. In Österreich dagegen ist die Beschäftigung seit 2007 kontinuierlich gestiegen – trotz der höheren Arbeitslosenrate. Das liegt daran, dass mehr Menschen auf den Arbeitsmarkt strömten, von denen ein Teil einen Job fand, aber eben nicht alle. In Österreich haben 63,4 Prozent der 15- bis 74-Jährigen einen Job, in der Eurozone sind es nur 56,4 Prozent.

Kein Trost für Arbeitslose

Die gestiegene Beschäftigung muss man auch berücksichtigen, wenn man die schwache Entwicklung der Individuallöhne bewerten will. Denn ein großer Teil des Beschäftigungszuwachses in Österreich geht darauf zurück, dass mehr Frauen arbeiten. Damit ist in vielen Fällen das Haushaltseinkommen trotz der schwachen Lohnentwicklung spürbar gestiegen. Arbeitslose oder Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen können sich mit diesem Gedanken nicht trösten. Aber immerhin: Die OECD-Zahlen zeigen, dass die Lohnkurve zuletzt wieder nach oben zeigte, auch in Österreich.

Zur mäßigen Lohnentwicklung in den Industrieländern insgesamt hat laut OECD neben dem schwachen Wachstum die gestiegene Arbeitslosigkeit beigetragen. Mehr Arbeitslose bedeuten immer eine schwächere Verhandlungsposition der Gewerkschaften.

Jobverluste in der Industrie

Die Industriestaatenorganisation macht in ihrem Bericht auf noch zwei interessante Details aufmerksam. Beinahe 80 Prozent des Beschäftigungseinbruchs seit Beginn der Wirtschaftskrise sind darauf zurückzuführen, dass Arbeitsplätze in der Industrie und im Bausektor weggefallen sind.

Die Beschäftigung steigt seit 2011 zwar wieder, doch die meisten Jobs (97 Prozent) werden im Dienstleistungssektor geschaffen.

Schließlich wird im Beschäftigungsbericht auch die Antikrisenstrategie in Ländern wie Spanien, Griechenland, Portugal, Lettland und Irland kritisch hinterfragt. Die EU-Kommission und der Internationale Währungsfonds (IWF) setzten ja in diesen Staaten auf eine Erholung durch mehr Exporte.

Dies sollte erreicht werden, indem die Löhne in den erwähnten Ländern sinken. Das führt dazu, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Staaten im Exportsektor steigt. Die OECD zeigt, dass ebendas mit wenigen Ausnahmen (Griechenland und Slowenien) nicht passiert ist: Die Lohnstückkosten sind im Industriesektor kaum gefallen. Wirklich deutlich gesunken sind die Preise für Dienstleistungen. Die Erholung im Exportsektor in Ländern wie Lettland oder Spanien kann also nicht mit Preisfaktoren erklärt werden. (szi, sat, 8.7.2016)