Wien – Die letzte Nacht mit seiner Mutter verlief für Werner F. aufwühlend. "Wir haben zu Abend gegessen, dann ist das Gespräch auf die Bibi gekommen", erzählt der 46-Jährige dem Geschworenengericht unter Vorsitz von Georg Olschak.

Die "Bibi" war eine Bekannte, von der er mehr wollte. "Die Mama war eifersüchtig, weil sie sie noch nie gesehen hat. Wir haben gestritten und uns angeschrien", erinnert sich der Unbescholtene. Doch ob der Streit dazu geführt hat, dass er einige Stunden später seine schlafende Mutter erstochen hat, kann niemand sagen.

Verurteilt kann F. für die Tat nicht werden, laut dem psychiatrischen Sachverständigen war er damals zurechnungsunfähig, eine akute Psychose. Es geht darum, ob er in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gebracht wird.

2008 in Rehaklinik

Die Geschichte zeigt, wie ein Mensch langsam immer weiter abgleiten kann. Bis 2005 hatte F. ein geregeltes Leben, dann kamen psychische Probleme, er wurde berufsunfähig. Zunächst waren es Depressionen, im Jahr 2008 war er in einer Rehaklinik. Dort sei ihm geholfen worden, sagt er – nach der Entlassung nahm er allerdings keine Medikamente mehr und sah auch jahrelang keinen Bedarf mehr für Psychotherapie.

In den Wochen vor dem 3. November 2015 muss sich sein Zustand immer weiter verschlechtert haben. Er rief Freunde an und redete wirres Zeug, fühlte sich verfolgt. "Ich konnte nicht mehr unterscheiden, wer meine Freunde und meine Feinde sind", sagt er nun.

Am Tattag war er bei einem AMS-Kurs, er ging noch heim und holte sich sein Kampfmesser, ehe er zur 86-jährigen Mutter fuhr. "Wofür haben Sie das denn?", fragt ihn Olschak. "Damit ich mich und meine Mutter schützen kann."

Versöhnung nach Gebet im Bad

Zum Mordwerkzeug wurde dann aber ein anderes Messer. Nach dem Streit folgte die Versöhnung. "Wir haben dann im Bad gemeinsam gebetet. Ich habe die Mama noch ins Bett gebracht und zugedeckt."

F. selbst konnte nicht einschlafen. "Ich habe im Bett laut gebetet." – "Sind Sie ein gläubiger Mensch?", will der Vorsitzende wissen. "Jetzt wieder. Ich bin wegen der Kirchensteuer ausgetreten, aber vor der Tat war ich wieder öfter in der Pfarre. Dort ist es mir besser gegangen."

Irgendwann in der Nacht ist F. aufgestanden, um das WC aufzusuchen. Danach ging er in die Küche – und holte ein Messer. "Warum, kann ich nicht sagen." Er ging zur schlafenden Mutter und stach zu. "Ein oder zweimal. In den Bauch. Das Messer habe ich stecken lassen. Die Mama hat geröchelt, ich habe mich dann neben die Mutter gelegt und bin eingeschlafen."

Fünf Stiche in Bauch und Brust

Seine Erinnerung trügt ihn – bei der Obduktion wurden fünf Stiche im Bauch- und Brustbereich festgestellt, die Tatwaffe wurde wieder in der Küche gefunden. F. nimmt es zur Kenntnis.

Auch, dass seine Mutter ungewöhnlich hohe Dosen ihres Antidepressivums im Blut hatte. Der medizinische Sachverständige schließt nicht aus, dass die Frau die Medikamente unregelmäßig genommen hat und sich zu große Dosen im Körper angelagert haben. Sie müsse zumindest benommen gewesen sein, was auch das Fehlen von Abwehrverletzungen erklärt.

Jetzt gehe es ihm besser, er bekomme regelmäßig Medikamente, erzählt F. noch. Er sei sich nun bewusst, dass er krank sei. Warum er seine Mama getötet hat, weiß er dennoch nicht. "Eine wirkliche Antwort habe ich für mich auch noch nicht gefunden."

Das Gericht braucht nicht lange für seine Entscheidung und weist den Kranken rechtskräftig in eine Anstalt ein. (Michael Möseneder, 7.7.2016)