Die Behindertenpolitik des Landes Salzburg ist für alle Salzburger Landtagsparteien, fast schon traditionell, kein Ruhmesblatt. Heute, Mittwoch, hat der Salzburger Landtag einstimmig das aus dem Jahr 1981 stammende Behindertengesetz novelliert. Es gibt kleine Fortschritte: So ist beispielsweise das Wort "Schwachsinn" aus dem Text gestrichen worden, und es soll Pilotprojekte für eine persönliche Assistenz geben.

Dafür hat man Jahre und gleich mehrere Sozialressortchefs gebraucht? In Summe bewerten Behindertenverbände wie auch große Betreuungsinstitutionen und Menschenrechtsgruppen die Novelle fast durchwegs negativ: Die Chance "einer zeitgemäßen gesetzlichen Grundlage auf Basis der UN-Behindertenrechtskonvention" sei schlicht "vertan" worden, das Gesetz sei schon vor der Novelle "veraltet" gewesen.

Der geringe Stellenwert der Behindertenpolitik spiegelt sich auch in konkreten Fällen wider. Der jüngste – vom STANDARD aufgezeigte – Fall eines jungen Mannes, der mangels eines Betreuungsplatzes so lange in der Psychiatrie ausharren musste, bis die Situation eskalierte, ist ein Extrembeispiel: Der intellektuell Beeinträchtigte wurde nach einem tätlichen Angriff auf einen Krankenschwester in den Maßnahmenvollzug abgeschoben. Volksanwaltschaft und Menschenrechtskommission bemühen sich nun um den jungen Mann. Andere, für die in Salzburg ebenfalls kein Platz vorhanden ist, werden in deutschen Heimen untergebracht.

Auch rund um das Konradinum macht die Landespolitik keine besonders gute Figur. Nachdem die gesetzliche Bewohnervertretung und die Volksanwaltschaft zahlreiche Missstände in dem vom Land betriebenen Heim für Schwerstbehinderte aufgezeigt hat, gibt es zwar im Heim selbst kleine Fortschritte, auch ein Neubau wurde beschlossen, das Hauptaugenmerk liegt derzeit aber auf der gerichtlichen Auseinandersetzung. Das Land feiert – nicht rechtskräftige – Teilerfolge gegen die gesetzliche Bewohnervertretung medial ab. Die Frage, wie die Lebensqualität für die Bewohnern und Bewohnerinnen zu verbessern sei, scheint nicht so vordringlich zu sein.

In der Gesetzgebung wie im Konkreten entspricht die Salzburger Behindertenpolitik in vielem nicht den modernen Standards. Inklusionsprojekte etwa, mithilfe derer Behinderte gleichgestellt, also auch mit allen sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen, am Arbeitsprozess teilhaben können, laufen beispielsweise in Vorarlberg mit großem Erfolg. In Salzburg haben sie Seltenheitswert und bleiben auf ganz wenige Menschen beschränkt. Alle anderen können in Salzburg nur für ein Taschengeld – und damit nur unfallversichert – bei Firmen und Gemeinden unterkommen.

Es sei eben in Österreich "immer noch eine Frage des Glücks, wo man auf die Welt kommt", hat eine Sprecherin einer großen Betreuungseinrichtung vor wenigen Monaten formuliert. Das mag zugespitzt klingen, entspricht aber den Tatsachen. (Thomas Neuhold, 6.7.2016)