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Erst ging Gerardo Martino seines Stars Lionel Messi verlustig, jetzt ging der argentinische Teamchef angesichts des Chaos im Verband selbst.

Foto: EPA/Juan Carlos Cardenas

Buenos Aires – Kein Lionel Messi, der sich nach dem verlorenen Finale der Copa América auch wegen Missmanagements des Verbandes in den Schmollwinkel zurückgezogen hat. Kein Luis Segura, der am Montag den Präsidentensessel im Fußballverband Afa verwaist zurückließ. Kein Gerardo Martino, den sie am Ende nicht einmal mehr eine Olympia-Auswahl formieren ließen. "Aufgrund der Unklarheit bei der Benennung der neuen Führung im argentinischen Fußballverband und der schwerwiegenden Konflikte bei der Zusammenstellung des Kaders, der das Land bei den kommenden Olympischen Spielen vertritt, hat der Trainerstab der Selección beschlossen, mit dem heutigen Tag seinen Rücktritt einzureichen." Wortwörtlich so, durfte Coach Martino den Rückzug auf der Afa-Homepage publizieren – da wurde das ganze Ausmaß des Machtvakuums im Verband sichtbar.

Lediglich der zweite Vizepräsident wollte dazu Stellung nehmen. "Es ist sehr schwierig, ohne Soldaten in den Krieg zu ziehen. Und das hat er wohl gespürt", sagte Claudio Tapia zu Martinos Abgang. Medien berichteten, dass nur zwölf der 35 vom Coach auf eine vorläufige Kaderliste gesetzten Spieler von ihrem Verein eine Freigabe für das Turnier in Rio de Janeiro erhalten hätten. "Es besteht zu 50 Prozent die Gefahr, dass das Fußballteam sich nicht bei Spielen präsentierten wird", sagte Gerardo Werthein, der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees. Dabei sollte die Vorbereitung für die Jagd auf das dritte Gold nach 2004 und 2008 eigentlich seit Montag laufen.

Das ist aber nur eine von vielen Baustellen, deren sich in Kürze die vom Weltverband (Fifa) bestellte Normalisierungskommission annehmen muss. Unter den Argusaugen des Fifa-Delegierten Primo Corvaro, eines SchweizKolumbianers, soll der Sumpf von Korruption und Vetternwirtschaft in der Asociación del Fútbol Argentino bis zu ordentlichen Präsidentenwahlen in einem Jahr trockengelegt werden.

In Inaktivität einig

Solange sich eine Afa-Übergangsführung erst formiert, liegt die Entscheidungsgewalt bei der Generalversammlung. Dieses nicht erst seit dem Tod des langjährigen Präsidenten Julio Grondona im Juli 2014 von persönlichen Interessen und Machtkämpfen gebeutelte Gremium hatte immerhin jüngst Einheit gezeigt – in Inaktivität. Mit 66:1-Stimmen wurde beschlossen, die Einführung einer neuen Superliga zu vertagen. Zwischen den völlig zerstrittenen Vereinen soll vorerst die 55-jährige Legende Diego Maradona vermitteln.

Trainer Martino weint eigentlich niemand eine Träne nach. Der 53-Jährige aus Rosario war nach einem erfolglosen Jahr beim FC Barcelona im September 2014 mit einem 4:2 bei der WM-Revanche gegen Deutschland als Nachfolger von Alejandro Sabella vielversprechend gestartet. Seine Bilanz aus 29 Spielen mit 19 Siegen bei sieben Unentschieden ist eigentlich positiv, aber die Finalpleiten bei den letzten beiden Copa-América-Turnieren, jeweils nach Nullnummer im Elferschießen gegen Chile erlitten, verzeiht ihm keiner.

Am 4. August soll die olympische Albiceleste ins Turnier von Rio starten. Im September geht für die A-Mannschaft die WM-Qualifikation weiter, in der es in sechs Spielen schon eine Niederlage und zwei Remis setzte. Als prompten Ersatz für Martino steht der finanziell erbarmungswürdigen Afa nur noch ein einziger angestellter Trainer zur Verfügung: U20-Coach Julio Olarticoechea, immerhin ein Weltmeister von 1986. Er ist der Letzte – und könnte das Licht abdrehen. (sid, lü, 6.7.2016)