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Rauch vor der Prophetenmoschee in Medina: Dort sprengte sich Montagabend ein Selbstmordattentäter in die Luft.

Foto: AP / Noor Punasiya

Riad/Wien – Gleich an drei Orten haben Terroristen am Ende des Fastenmonats Ramadan in Saudi-Arabien zugeschlagen: Vier Polizisten wurden getötet, als ein Selbstmordattentäter am Montagabend auf dem Parkplatz vor der Prophetenmoschee in Medina seinen Sprengstoffgürtel zündete, wobei die Polizeipräsenz Schlimmeres verhindert haben dürfte. Ebenso gab es in der östlichen, vorwiegend schiitischen Stadt Qatif einen Anschlag mit drei Toten, zuvor hatte sich in Jeddah ein pakistanischer Attentäter in die Luft gesprengt.

Am Dienstag wandte sich der Kronprinz an die Bürger Saudi-Arabiens: Mohammed bin Nayef ist zugleich Innenminister und für die Terrorismusbekämpfung zuständig. Er war Vizeinnenminister – an der Seite sein Vaters -, als in den Nullerjahren die erste Terrorwelle über Saudi-Arabien hereinbrach. MbN, wie er oft abgekürzt genannt wird, wird zugeschrieben, Al-Kaida im Königreich in den Griff bekommen zu haben.

Gerüchte über Krankheit

An die Person des Kronprinzen knüpfen sich jedoch gerade jetzt auch Unsicherheiten, die die Saudi-Araber zurzeit in ungewöhnlicher Zahl heimsuchen (dazu gehört etwa auch ein Budgetloch). Immer wieder wird berichtet, dass MbN schwer krank ist – und dass sein Cousin, der Vizekronprinz und Sohn des Königs, Mohammed bin Salman (MbS), ihn gerne als Kronprinz ersetzen würde. Dass die Terrorismusabwehr Schwächen hat, wird die Gerüchte eher verstärken, daran wird auch der Auftritt Mohammed bin Nayefs nichts ändern.

Für viele im Westen ist seit 9/11 Saudi-Arabien der Ort, wo der Terrorismus herkommt. Eine Mehrzahl der Attentäter in New York und Washington, so wie ja auch Al-Kaida-Chef Osama Bin Laden selbst, stammte tatsächlich aus dem Königreich. In der Selbstwahrnehmung ist Saudi-Arabien jedoch vor allem selbst Terroropfer – und nicht die eigene Variante des Islam ist das Problem, so wie das im Westen viele sehen wollen, sondern das revolutionäre Gedankengut der aus Ägypten kommenden Muslimbrüder. Sie fanden besonders in der Nasser-Zeit Aufnahme in Saudi-Arabien und infizierten den unpolitischen friedlichen Salafismus: so, wie gesagt, die Selbstsicht.

Dass die Saudis auch von vielen Muslimen für den Siegeszug eines besonders enggeführten, intoleranten Islam verantwortlich gemacht werden, der zur Gewalt neigt, hat seinen Grund vor allem darin, dass Saudi-Arabien in den vergangenen Jahrzehnten seine Version des Salafismus, den Wahhabismus, mit dem Einsatz immenser Mittel in die ganze Welt exportiert hat. Die Grenzen zum Extremismus sind oft fließend, auch innerhalb des saudi-arabischen Klerus. Aus Saudi-Arabien – das heißt von Privaten – und anderen Golfstaaten floss stets reichlich Geld an radikale Organisationen.

Mittlerweile haben die Golfstaaten, auch Saudi-Arabien, jedoch ihre Finanzgesetze verschärft, was solche Geldtransfers erheblich erschwert. Auf das Aufkommen des "Islamischen Staats", der auch Saudi-Arabien als einen nach kolonialistischem Wunsch geschaffenen "künstlichen" Staat sieht, hat das saudische Regime relativ schnell reagiert. Seit 2014 hat Saudi-Arabien eines der schärfsten Gesetze gegen die Teilnahme am Jihad oder Propaganda dafür. Es wurden bereits hunderte Gefängnisstrafen verhängt. Für die Bevölkerung gibt es niederschwellige Möglichkeiten, Beobachtungen zu melden, etwa wenn jemand im Begriff ist, sich zu radikalisieren. Auch Familienangehörige von jungen Leuten wenden sich angeblich vermehrt an die Behörden.

Katastrophe von 2015

Das blutige Ende des Ramadan ist jedoch auf alle Fälle ein politisches Problem für das Königshaus: vor allem im Licht der Massenpanik-Katastrophe bei der Hajj im September 2015, bei der hunderte Pilger getötet wurden. Das alles kratzt am Anspruch des saudischen Regimes, für die Sicherheit von Millionen Muslimen sorgen zu können, die alljährlich Mekka und Medina besuchen. (Gudrun Harrer, 6.7.2016)