Straßburg – Im Streit um heftige Vorwürfe gegen eine große linksliberale Zeitung in Polen hat der Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) die Meinungsfreiheit hervorgehoben. Geklagt hatte der regierungsnahe Politiker Jacek Kurski, der mittlerweile Chef des öffentlich-rechtlichen Senders TVP ist.

Kurski muss sich für Vorwürfe entschuldigen

Er hatte 2008 auf kritische Berichte über die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die nun die Regierung stellt, mit Anschuldigungen gegen die Zeitung reagiert. Hinter den "Attacken" in der "Gazeta Wyborcza" auf die PiS stehe eine Vereinbarung zwischen dem Verleger und einem Unternehmen, das in der Zeitung Anzeigen schalte, behauptete Kurski in einem Fernsehauftritt. Die polnischen Gerichte verurteilten ihn, sich für diese Vorwürfe zu entschuldigen.

Aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verletzte dies die Meinungsfreiheit, heißt es in einer am Dienstag in Straßburg veröffentlichten Entscheidung. Die Vorwürfe seien in einer wichtigen öffentlichen Debatte über die Unabhängigkeit der Presse gefallen. In diesem Rahmen müsse schärfere Kritik toleriert werden als unter Privatleuten. Kurski habe deshalb den Wahrheitsgehalt seiner Anschuldigungen auch nicht belegen müssen. (APA, 5.7.2016)