Rom – Italienische Feuerwehrleute haben bisher die Gebeine dutzender Menschen aus einem vor mehr als einem Jahr mit etwa 800 Menschen an Bord gesunkenen Flüchtlingsboot geborgen. Wie Einsatzleiter Luca Cari am Montag mitteilte, wurden die Gebeine auf der Brücke des Kutters gefunden. Italiens Marine geht davon aus, dass sich an Bord des Schiffes mehr als 300 Leichen befinden.

Die Suche konzentriere sich jetzt auf den Laderaum. Mithilfe einer Kamera sei entdeckt worden, dass sich dort unter einer Schicht von Skeletten weitere, besser erhaltene Leichen befänden, auch von Kindern.

800 Flüchtlinge an Bord

Der Kutter war in der Nacht zum 19. April 2015 im Mittelmeer beim Zusammenstoß mit einem Frachter gesunken, der den hunderten Flüchtlingen an Bord zu Hilfe kommen wollte.

Von den etwa 800 Flüchtlingen, die bei der Abfahrt in Libyen an Bord waren, konnten nur 28 Menschen gerettet werden. Am Unglückstag wurden rund 50 Leichen geborgen, später holte die Marine weitere 169 Tote vom Meeresgrund.

Italiens Premier Matteo Renzi sieht die Bergung auch als Symbol für die Flüchtlingspolitik in Europa. Italien fühlt sich seit Jahren von den EU-Partnern bei der Überwachung des Mittelmeeres alleingelassen. Nach dem Willen Renzis, der die Bergung des Schiffes im Herbst 2015 angeordnet hatte, soll "die ganze Welt sehen, was geschehen ist".

Bestattung in Sizilien

Die italienische Marine hatte das Boot vergangene Woche aus 370 Meter Tiefe gehoben und nach Sizilien gebracht. Die Feuerwehrleute bringen die Toten in ein 600 Quadratmeter großes Kühlzelt neben einem Nato-Marinestützpunkt bei Augusta. Sobald die Identität der Toten mit Hilfe von Gerichtsmedizinern geklärt ist, sollen sie auf Friedhöfen in Sizilien beigesetzt werden.

Seit 2014 sind bei der gefährlichen Überfahrt über das Mittelmeer nach Angaben des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) mehr als 10.000 Menschen ums Leben gekommen, die meisten zwischen Libyen und Italien. Viele der Boote sind nicht seetauglich und werden von skrupellosen Schleppern völlig überladen auf den Weg geschickt. (APA, 4.7.2016)