"Ich bin erschreckt über die Unkenntnis des Kanzlers": Innenminister Sobotka erteilte am Montag Journalisten, dem Kanzler, aber auch sich selbst Nachhilfe in Sachen internationaler Wahlbeobachter.

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Wien – Obwohl Rot und Schwarz nicht einmal mehr mit eigenen Kandidaten involviert sind, gerät der dritte Wahlgang für den Bundespräsidenten zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen den Koalitionären. Montagmittag, quasi zu High Noon, lud Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) Medienvertreter spontan zu sich ins Ressort, um sein Erschrecken über "die Unkenntnis" des Kanzlers, dass es für die Wiederholung der Stichwahl im Frühherbst keine Wahlbeobachter der OSZE brauchte, kundzutun – und dass Christian Kern (SPÖ) dies mit der Bemerkung, "wir seien keine Bananenrepublik", begründe.

Anschließend dozierte Sobotka, dass in Österreich schon bisher internationale Kontrollore rund um die Urnengänge stets nach dem Rechten gesehen haben – und zwar bei Nationalratswahlen (2013), bei EU-Wahlen (2014) und zuletzt etwa im April, beim ersten Durchgang der Hofburg-Wahl, bei der die Anwärter von SPÖ und ÖVP, Rudolf Hundstorfer und Andreas Khol, übrigens Platz vier und fünf belegt haben. Exakt vierzig Beobachter, und zwar aus Norwegen, aus Moldau, aus Ungarn, rechnete Sobotka vor, hätten die Vorgänge rund um den 24. April inspiziert – und seien, wie es internationaler Usance entspricht, auf Ansuchen des Außenamts ins Land gekommen, nachdem das zuständige Innenressort darum gebeten habe. Zum Vergleich: Die USA hätten für ihre Präsidentenwahl bereits um 500 Wahlbeobachter angesucht.

Fazit des Innenministers: Daher habe er heute auch einen entsprechenden Brief ans Außenamt abgeschickt – die Beobachter jetzt plötzlich "auszuladen" hieße ja, man habe "etwas zu verstecken". Nachsatz in Richtung Kanzleramt: "Ich habe geglaubt, dass das jeder in der Republik auch weiß, dass Wahlbeobachter zum ständigen Prozedere gehören."

Mit diesem Schritt beendet Sobotka eine Diskussion, die er selbst angesichts des folgenschweren Spruchs des Verfassungsgerichtshofs losgetreten hat – und die sich übers Wochenende weiter zusammengebraut und am Ende gar die Staatsspitzen entzweit hat. Rückblick: Weil Sobotka erklärt hatte, dass er in jene vierzehn Bezirke, in denen das Höchstgericht Unkorrektheiten beim Auszählen der Briefwahlstimmen festgestellt hat, OSZE-Beobachter entsenden möchte, qualifizierte Kanzler Kern das Ansinnen via Krone als nicht notwendig – weil damit im Ausland ein falscher Eindruck entstünde. Aber auch der scheidende Bundespräsident Heinz Fischer und der von der ÖVP gestellte Justizminister Wolfgang Brandstetter erachteten das Land nicht als Kandidaten, der unter internationale Beobachtung gehöre. Auf Nachfrage musste aber auch Sobotka einräumen, dass sich Österreich "nicht aussuchen" könne, "was kontrolliert wird" – also auch nicht, ob die Beobachter vornehmlich das Geschehen in den inkriminierten Bezirken unter die Lupe nehmen.

Für die SPÖ reagierte am Abend Josef Cap via Presseaussendung auf die Kritik Sobotkas. "Es besteht ein Unterschied zwischen einer allgemeinen Routine-Einladung und der offensiven Anforderung solcher Beobachterinnen für explizit jene vierzehn Bezirke, in denen es zu Fehlern bei der Stimmenauszählung kam". Letzteres sei "nicht angebracht", die Routine-Einladung hingegen "ohnehin selbstverständlich".

Skepsis statt Schöffensystem

Mit seinem zweiten Vorschlag, an Wahlsonntagen künftig auf einfache Staatsbürger als Wahlbeisitzer – nach dem Vorbild von Schöffen bei Gericht – zurückzugreifen, blitzte Sobotka am Montag bei SPÖ-Klubchef Andreas Schieder ab, der sich für mehr Geld und Urlaub (statt bloß Verpflegung und Fahrtkosten) für die Beisitzer aussprach. Auch ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka plädierte für die Beibehaltung des Systems, dass die Parteien ihre Vertreter in die Wahlkommissionen entsenden – und auch er findet, dass ihr Engagement besser abgegolten werden solle. Zudem äußerte sich die gesamte Opposition skeptisch zu Sobotkas Vorstoß.

Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer schlägt unterdessen umgekehrt vor, die Parteien zu bestrafen, sollten sie nicht ausreichend Wahlbeisitzer bereitstellen. Er sagte dem "Kurier", Parteien sollen in diesem Fall jenen Betrag zahlen, den die Arbeit eines Gemeindebediensteten koste, der die Auszählung erledigen müsse. Einer Verpflichtung individueller Staatsbürger kann auch er nicht viel abgewinnen.

Zumindest einer konnte an dem Tag seine Vorhaben noch weniger umsetzen. Beinahe-Bundespräsident Alexander Van der Bellen stattete dem Innenminister vor dessen Attacke auf Kern einen Besuch ab – was ursprünglich als Antrittstreffen geplant war, endete in einem Gespräch, in dem ihn das Staatsoberhaupt in spe eben "zu anderen Dingen befragt" habe, wie Sobtoka erzählte. (Nina Weißensteiner, Gerhard Eichholzer, 4.7.2016)