Wien – Die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) ist seit 2005 verfassungsrechtlich anerkannt. Helene Jarmer, Behindertensprecherin der Grünen, bemängelt, dass seitdem wenig passiert sei, um die Situation gehörloser Menschen in Österreich zu verbessern. Bei einer Pressekonferenz am Montag kritisiert sie Stagnation in den Bereichen selbstbestimmtes Leben, Arbeit und Bildung.

Um gehörlosen Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, fordert Jarmer die Einrichtung einer rund um die Uhr verfügbaren Telefonvermittlungszentrale. An diese könnten sich Betroffene per Videoleitung wenden. Die dort stationierten Dolmetscher können dann für sie klassische Telefonate erledigen. Eine weitere Notwendigkeit wäre eine nonverbale Notrufzentrale. Diese könne als Handy-App implementiert werden und wäre zum Beispiel auch für Menschen mit Sprechbehinderung hilfreich.

Am Arbeitsmarkt müsse aktiv gegengesteuert werden, um der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung entgegenzuwirken. Bei Gehörlosen müssten zum Beispiel vermehrt Dolmetschkosten übernommen werden, um Fort- und Weiterbildungen zu ermöglichen.

Nachholbedarf in Bildung

Auch im Bereich Bildung sieht Jarmer dringenden Handlungsbedarf. Betroffene Kinder bräuchten nicht nur bilingualen Unterricht (Deutsch und ÖGS), sondern auch eine aktive Auseinandersetzung mit Gebärdensprache und Gehörlosenkultur, um Wortschatz und Sprachkompetenz uneingeschränkt entwickeln zu können. Des Weiteren gibt es laut Jarmer in Österreich derzeit keine Kinderkrippe und nur einen geeigneten Kindergarten für Gehörlose, Bedarf bestünde aber bundesweit.

Ein weiteres Problem seien die in den Bundesländern unterschiedlichen Budgets für Dolmetsch-Dienste. Entsprechende Anträge würden seit Jahren vertagt und verschwänden in Schubladen, so Jarmer. Zum Jubiläum des Parlamentsbeschlusses am 6. Juli 2005 werden am Mittwoch Anstecker in Form türkiser Schleifen an alle Nationalratsabgeordneten verteilt, um auf die Anliegen und Bedürfnisse von Gehörlosen aufmerksam zu machen. (APA, 4.7.2016)