So viel Respektabstand halten Nico Rosberg und Lewis Hamilton nicht immer.

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Spielberg – Der erneute Crash zwischen den Mercedes-Teamkollegen Lewis Hamilton und Nico Rosberg hat keine Auswirkungen auf die Vertragsverhandlungen mit Rosberg. Das versicherte Mercedes-Sportchef Toto Wolff am Sonntag nach dem Österreich-Rennen. Dennoch werden die Köpfe rauchen. Die silbernen Streithähne könnten bald am Gängelband gehalten werden – die Entscheidung darüber geht an die Identität des Teams.

Eine mehrjährige Verlängerung des Vertrags zwischen Rosberg und dem deutsch-britischen Team hänge nur noch von "Kleinigkeiten" ab, hatte Wolff am vergangenen Donnerstag in Spielberg bestätigt. Daran werde sich nun nichts ändern. "Der Vertrag ist eine langfristige Entscheidung, sie wird nicht durch einen Rennunfall beeinflusst", erklärte der Wiener. Rosberg fährt seit 2010 für Mercedes, sein aktuelles Arbeitspapier läuft mit Ende dieser Saison aus.

Mercedes steckt allerdings in der Zwickmühle. Es geht darum, wie man einen Zusammenstoß wie in der letzten Runde des Grand Prix von Österreich vermeiden kann. "Das ist ein No-Go bei jedem Team", machte Wolff klar. Schon vor eineinhalb Monaten hatte es in Barcelona zwischen den Mercedes-Stars gekracht. In Kanada war es vor drei Wochen ebenfalls zum Kontakt gekommen, damals konnten beide Wagen aber weiterfahren.

"In Barcelona habe ich mir viel leichter damit getan. Von meinem naiven Standpunkt aus habe ich mir gedacht: Okay, das war's. Sie haben die Lektion gelernt und gesehen, was die Konsequenzen sind, das wird nicht mehr vorkommen. Jetzt ist es wieder passiert", erzählte Wolff. Die Laissez-faire-Politik, die Mercedes seit Jahren in der Formel 1 vertritt, um den Fans "echten Motorsport" bieten zu können, könnte bald einer Teamorder zum Opfer fallen – lange Zeit ein Tabuthema.

Alle Optionen offen

"Die einzige Konsequenz ist, uns alle Optionen anzuschauen, die auf dem Tisch liegen. Und eine Option ist, die Reihenfolge der Autos zu einem bestimmten Zeitpunkt des Rennens einzufrieren", erläuterte Wolff. "Ich selber finde es zum Kotzen, weil ich möchte, dass sie echten Rennsport zeigen. Aber wenn das Rennfahren nicht möglich ist ohne Kontakt, wird das die Folge sein."

Diese Lösung würde auch Gerhard Berger empfehlen, der für Rosberg den künftigen Vertrag aushandelt. "Für die Fans ist das natürlich super. Als Team hätte ich aber gesagt, dass sie auf den Positionen bleiben müssen. In der letzten Runde riskiere ich ja nicht meine Autos auf Platz eins und zwei", sagte der Tiroler, der allerdings auch ein Luxusproblem andeutete. "Andererseits haben sie die Plätze eins und vier, andere Teams würden da Luftsprünge machen", warf er ein.

Vor dem nächsten Rennen am kommenden Sonntag in Silverstone würden bei Mercedes jedenfalls Krisengespräche anberaumt. "Das Kern-Rennteam wird das entscheiden, wir sitzen an einem Tisch und diskutieren", verriet Wolff, der davor seinen Kopf in einen Kübel kaltes Wasser tauchen wollte. Er versicherte, dass die Entscheidung in jedwede Richtung gehen kann. "Es wird dabei keine heiligen Kühe geben."

Die Frage, ob seine hochbezahlten Asphalt-Einzelkämpfer sich überhaupt an eine Teamorder halten würden, wenn beide um die Weltmeisterschaft fahren, beantwortete er wie folgt: "JA – in Großbuchstaben." Zumindest bei Hamilton darf das bezweifelt werden.

Keine Entspannung

Das Arbeitsverhältnis der beiden Rivalen, die sich seit Kindheitstagen kennen, stand nie unter einem guten Stern. Der Vorfall in Spielberg war nur der jüngste in einer langen Reihe. Die Zeitung "Mail on Sunday" hatte vor dem Gastspiel in der Steiermark noch von einem leichten Tauwetter berichtet. Am Pool in ihrem Apartmentblock in Monaco sei man sich bei entspannten Gesprächen näher gekommen, hatte es geheißen.

In Österreich war davon nicht viel zu merken. Als Hamilton und Rosberg am Samstagabend einen Kurzauftritt im Mercedes-Motorhome absolvierten, hielten sich die zwei in verschiedenen Ecken auf. Direkten Kontakt gab es zwischen den Streithähnen keinen. "Wir sind immer voll am Limit. Ich denke, das geht auf und ab. Das wird immer schwierig sein. Das hat sich heute wieder gezeigt", sagte Rosberg am Sonntag.

Dass Mercedes besser dran wäre, wenn man das explosive Duo sprengen und einen der beiden loswerden würde, wollte Wolff am liebsten gar nicht kommentieren. "Wir wollen die besten Fahrer, und wir glauben, dass unsere Fahrer zu den besten in der Formel 1 gehören", hielt er fest. Rosberg-Einflüsterer Berger wollte ebenfalls nicht den Teufel an die Wand malen. "Das beruhigt sich schon wieder", reagierte der Ex-Pilot gelassen. (APA, 4.7.2016)