ORF-Moderatorin Ingrid Thurnher befragte Kanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.

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Sonntagabend: Während sich Islands Nationalelf von Frankreich böse abschießen lassen muss, dürfen Gebührenzahler auf ORF 2 beim Auftritt der Regierungschefs dabei sein, die sich ineinander verschossen haben.

Es war ein wenig wie im Ehevorbereitungskurs. Pastorin Ingrid Thurnher prüfte die Vermählungsbereiten auf Herz und Nieren, sprach Verbindendes und Trennendes an, erntete treu herzige Versprechen ("Unser Ziel ist, gemeinsam Lösungen bei Sachfragen zuwege zu bringen") wie wohlwollende Prognosen ("Da wird es eine Schnittmenge geben, die uns verbindet, daneben wird es Dinge geben, die uns nicht verbinden") und sah, wie der Kanzler und sein Vize einander liebevolle Blicke zuwarfen, dem anderen aufmerksam lauschten und je nach Bedarf aufmunternd zunickten oder freundlich widersprachen.

Beim Thema Maschinensteuer und Arbeitszeitverkürzung hörte sich kurzfristig die Freundschaft auf, aber Braut und Bräutigam fanden schnell wieder zueinander (Stichwort: "Schnittmenge"). Die Harmonie war so groß, dass Konflikte eher mit der Gastgeberin als untereinander ausgetragen wurden. Thurnher höre von solch Gemeinsamkeit "weniger gern, weil der Streit interessanter erscheint", sagte der Vizekanzler, dem Gegenüber verschmitzte Blicke zuwerfend.

Vergessen war, dass ein Einzelinterview mit dem früheren Kanzler Werner Faymann zu grober Missstimmung geführt hatte. Der Aufschrei war dieses Mal viel leiser, obwohl die Kandidaten der Koalitionsparteien in der Bundespräsidentenwahl nicht mehr als zwei Striche in der Landschaft waren. Alles kein Problem: Schließlich braucht auch der ORF seine Streicheleinheiten. (Doris Priesching, 4.7.2016)