In der letzten Runde zur Führung und zum Sieg: Lewis Hamilton.

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Der Spielberg-Sieger war angesichts des Rennverlaufs wohl auch relativ perplex, jedenfalls aber sehr glücklich.

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Das Podest in Spielberg (v.li): Verstappen, Hamilton, Räikkönen.

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Spielberg – Sieben Wochen nach ihrem Buserer in der ersten Runde des Grand Prix von Spanien, die beide Mercedes-Piloten aus dem Rennen geworfen hatte, krachten am Sonntag auf dem Red-Bull-Ring Nico Rosberg und Lewis Hamilton erst in der letzten Runde zusammen. Wieder lag der Deutsche zu diesem Zeitpunkt voran, diesmal war die Schuld eher auf seiner Seite. Der WM-Führende hatte jedenfalls den Schaden zu tragen.

Während Titelverteidiger Hamilton seinen dritten Saisonsieg feierte, Österreich von der diesbezüglichen Erledigungsliste strich und nun bei insgesamt 46 Grand-Prix-Erfolgen hält, schleppte Rosberg sein beschädigtes Gefährt auf Rang vier über die Ziellinie. Seine WM-Führung schmolz auf elf Zähler zusammen. Da sich Sebastian Vettel im Ferrari schon nach dem ersten Renndrittel wegen eines kapitalen Reifenschadens verabschiedet hatte, dürfte bereits nach neun von 21 Saisonrennen feststehen, dass der Fahrertitel bei Mercedes bleibt – zum dritten Mal en suite. Vettel und sein finnischer Teamkollege Kimi Räikkönen haben jeweils schon 57 Zähler Rückstand auf Rosberg, 46 fehlen auf Hamilton.

Dennoch war bei den deutschen Dominatoren Feuer am Dach. "So geht es nicht mehr", sagte Motorsportchef Toto Wolff. "Ich muss mich jetzt erst mal abkühlen, und dann überlegen wir, wie wir vorgehen. Vielleicht muss man unpopuläre Entscheidungen treffen und die beiden nicht mehr frei gegeneinander fahren lassen. Wenn sie es nicht verstehen, müssen wir für sie entscheiden."

Möglicherweise tat Wolff seinen Fahrern unrecht. Rosberg war wegen eines Getriebewechsels nach einem Unfall in der ersten Phase des Qualifyings um fünf Plätze zurückversetzt worden und also nur aus sechster Position gestartet. Er pflügte durchs Feld, das Pole-Mann Hamilton anführte. Nach 21 der 71 Runden überholte ihn Rosberg über die Boxenstrategie. Die Führung übernahm er nach Vettels Aus, das eine Safety-Car-Phase nach sich zog.

Keine Bremsen mehr

Auf der "Rosberg-Strecke", wie Hamilton den Kurs genannt hatte, sah dann lange alles nach dem logischen Sieger aus. Doch ein Defekt an der Energierückgewinnung des Rosberg-Mercedes ließ Hamilton aufschließen. Rosberg versuchte den dritten Spielberg-Erfolg en suite mit allen Mitteln zu verteidigen, hatte aber wie sein Kontrahent kaum mehr Bremsleistung zur Verfügung, krachte in den Boliden des Briten, und zerstörte sich die Frontpartie.

Hamilton, der bei der Siegerehrung ausgepfiffen wurde, beteuerte seine Unschuld: "Ich war außen. Ich habe nicht gecrasht. Ich bin hier, um zu gewinnen." Rosberg habe in der letzten Runde einen Fehler in der ersten Kurve gemacht, er sei seine Linie gefahren und habe schließlich überholt: "Das ist mein Job."

Rosberg, gegen den nach Rennende gleich mehrere Untersuchungen liefen, sah es naturgemäß ganz anders: "Ich war auf der Innenbahn und kann deshalb diktieren, deshalb war ich schon echt überrascht, dass er da reingelenkt hat, das war echt heftig." Gerhard Berger, der für Rosberg mit Mercedes Vertragsverhandlungen führt, forderte klarere Vorgaben des Teams in solchen Situationen.

Strafen für offiziell schuldigen Rosberg

Gegen seinen Schützling sind gleich mehrere Strafen ausgesprochen worden, er wurde zum Schuldigen der Kollision erklärt. Rosberg erhielt deshalb eine nachträgliche Zeitstrafe von zehn Sekunden sowie zwei Strafpunkte. Am nun offiziellen Rennergebnis ändert das aber nichts, Rosberg bleibt Vierter.

Außerdem wurde der WM-Führende auch belangt, weil er mit seinem beschädigten Auto weiter gefahren war und dabei Fahrzeug-Teile auf der Strecke verteilt hatte. Dafür gab es die erste Verwarnung dieser Saison für Rosberg.

Die Stewards des Motorsport-Weltverbandes erklärten vier Stunden nach Rennende im Dokument 66, warum Rosberg laut Artikel 38.1 des Formel-1-Regulatives zu bestrafen war. Nach Befragung beider Piloten sowie Video- und Telemetrieanalysen sei es offensichtlich gewesen, dass das Auto mit der Nummer 44 (Hamilton) mehr als eine volle Länge vor dem mit der Nummer 6 (Rosberg) gewesen sei, heißt es da. Rosberg hätte die Kurve zwei problemlos meistern können, habe aber vielmehr dem anderen Fahrzeug zu wenig Platz gelassen und sei deshalb verantwortlich für die Kollision.

Zuschauerschwund

Neben Rosberg waren auch die Veranstalter auf der Verliererseite. Von Donnerstag bis Sonntag durften sie insgesamt nur 85.000 Besucher begrüßen. Im Vorjahr waren noch 120.000 gekommen, 2014, beim Combackrennen, zählte man sogar mehr als 220.000 Besucher. Der MotoGP im Rahmen der Motorrad-WM im August ist dagegen beinahe schon ausverkauft. (APA, sid, lü, 3.7.2016)