Anregung zum Bauchfleck: Valie Exports Kommentare zur Wiener Herrschaftsarchitektur (1982) finden sich an mehreren Orten.


Foto: Stefan Weiss

Wien – Das Areal rund um die Wiener Hofburg ist ein zentraler Brennpunkt der Geschichte Österreichs. Vom Spätmittelalter bis ins 21. Jahrhundert standen seine Plätze, Parks und Prachtbauten im Fokus politischer Auseinandersetzungen. Durch alle Systeme hindurch wurde zwischen Josefsplatz und Museumsquartier, Volksgarten und Burggarten, gekämpft und besetzt, demonstriert und regiert. Ein Freiluftmuseum.

Seit einigen Jahren tüftelt die Burghauptmannschaft daher an der Frage, wie sich diese neuralgischen Punkte der Landesgeschichte vermöge eines neuen Vermittlungsprogramms zeitgemäß verknüpfen ließen. Geschätzt 20 Millionen Menschen strömen jedes Jahr durch das Areal. In Zukunft sollen sie, mit elektronischen Geräten ausgestattet, verschiedene Themenwege gehen können.

Als "Vorgeschmack und Kick-off", wie Burghauptmann Reinhold Sahl sagt, initiierte man nun die Ausstellung GeschichtenOrt Hofburg. 20 über das Gelände verteilte Installationen erzählen mit dem jeweiligen Schauplatz verbundene Episoden aus Politik, Kultur und dem alltäglichen Leben der Wiener Bevölkerung.

Kinderwagensteuer

"Die Hofburg ist zum Glück keine museale Insel wie vergleichbare Komplexe in anderen Städten, sondern sie war immer auch ein Lebensraum", sagt Maria Welzig, die die Ausstellung gemeinsam mit Ingrid Holzschuh kuratierte. Es sind die weniger bekannten Geschichten, die die beiden Kunsthistorikerinnen erzählen wollen. Verzichtet wird auf die eingebrannten Bilder der Anschlussrede Hitlers auf der Terrasse der Neuen Burg. Eine Passage aus dem vergessenen Roman Heldenplatz (1945) von Ernst Lothar greift das Thema anders auf.

Über Habsburgs findige Beamtenschaft kann man sich mit Karl Kraus amüsieren. In seinem Blatt Die Fackel gratuliert er dem obersten Burgbeamten Hofrat Wetschl zur "sinnigen Idee" im k. k. Volksgarten eine Saisontaxe von 50 Kronen für Kinderwägen eingeführt zu haben. "So läppert man doch wieder dreißig Gulden jährlich zusammen!", ätzte der Satiriker.

Im Burggarten hingegen erinnert eine Stele mit Zeitungsartikel und Plakaten daran, dass die Benutzung öffentlicher Rasenflächen noch Ende der Siebzigerjahre hart erkämpft werden musste. Trotz Polizeigewalt setzte sich die junge Burggartenbewegung, der sich etwa Nina Hagen anschloss, mit ihrem Anliegen durch.

Gleich an mehreren Orten laden aufgeklebte Fotografien mit dem Schriftzug "Act Like Valie Export" zum Nachmachen ein. 1982 kommentierte die Aktionistin die teils bis heute unreflektiert behandelte Herrschaftsarchitektur der Stadt mit ihrem eigenen Körper.

Interaktion ist auch im Sinne der Ausstellungsarchitekten vom Büro feld72. Der einfachen Schautafel erteilen sie eine Absage. Stattdessen sorgen begeh- und besitzbare Objekte für körperliches Erleben und den nötigen Schuss Ironie. Zu sehen ist die Ausstellung über die Sommermonate bis zum Nationalfeiertag am 26. Oktober. Danach könnten einige der Installationen bestehen bleiben und in das neue Vermittlungskonzept der Hofburg einfließen. (Stefan Weiss, 1.7.2016)