Medikamente werden in Zukunft individuell auf den Stoffwechsel jedes Patienten abgestimmt sein.

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Die für Erwachsene empfohlene Einnahmeempfehlung von Medikamenten im Beipackzettel ist für den durchschnittlichen Österreicher gemacht. Der ist klarerweise duchschnittlich groß, schwer und gesund. Viele Patienten entsprechen jedoch nicht dem Durchschnitt. Über- oder Unterdosierung, sowie Unverträglichkeiten von Medikamenten sind daher keine Seltenheit.

Ein erster Ansatz, diese Probleme in den Griff zu bekommen, ist ein so genanntes Medikationsmanagement, dass die Österreichischen Apotheker ins Leben gerufen haben. Dabei wird versucht, auf die individuelle Situation der Kunden einzugehen. Es wird etwa überprüft, welche Medikamente ein Patient gleichzeitig einnimmt. Auch Beratungen über Neben- und Wechselwirkungen sind Teil des Programmes.

Ein zweiter, neuerer Ansatzpunkt ist die Pharmakogenetik. Sie macht die Analyse der am Stoffwechsel beteiligten Gene möglich. Dadurch kann vorhergesagt werden, wie ein bestimmtes Arzneimittel beim jeweiligen Patienten wirkt. "Ähnlich wie bei einer Wechselwirkung zwischen zwei Medikamenten, die beide am selben Enzym im Körper angreifen oder abgebaut werden, gibt uns das pharmakogenetische Profil Aufschluss über Wirksamkeit und Verträglichkeit eines Stoffes", sagt dazu Max Wellan, Präsident der österreichischen Apothekerkammer.

Optimierung der Therapie

Durch das Ergebnis eines pharmakogenetischen Tests können Wirksamkeit und Verträglichkeit eines oder mehrerer Arzneistoffe bei der Optimierung der Therapie helfen. Wird dann das richtige Medikament ausgewählt, werden molekulare Charakteristika der Krankheit, sowie individuelle Ausstattung des Patienten mit Enzymen berücksichtigt. Das Ergebnis liefert auch Responder, die wahrscheinlich auf die Therapie ansprechen, und Non-Responder, die wahrscheinlich nicht profitieren.

Dass ein Medikament aufgrund einer genetischen Veränderung anders wirken kann, wurde zum ersten Mal bereits in den 1950er-Jahren beobachtet. Damals stellte man fest, dass bei der Verabreichung des Muskelrelaxans Suxamethonium in seltenen Fällen die Narkosen von Patienten weit länger andauerten als üblich. Der Grund: Das zum Abbau des Medikamets notwendige Enzym Pseudocholinesterase ist verändert. Eine längere Nachbeatmung der Patienten war notwendig.

In Zukunft kann also schon vor der Verabreichung eines Medikaments untersucht werden, welche Zusammensetzung dem Stoffwechsel eines Patienten am ehesten entspricht. Das minimiert Nebenwirkungen aufgrund von Überdosierung, die meist dann auftreten wenn ein benötigtes Enzym zum Abbau eines Medikaments verändert oder nicht vorhanden ist.

Apotheker machen Tests

Um die österreichischen Apotheker auf die Trends von morgen vorzubereiten, hat die Apothekerkammer einen Selbstversuch gestartet: Für sich selbst und eine weitere Person können Apotheker einen pharmakogenetischen Test durchführen lassen. Dabei wird eine Mundschleimhautprobe im Labor untersucht und analysiert.

Die Vorteile dieses Tests liegen für Wellan auf der Hand: "Arzneimittel interagieren mit einer Vielzahl anderer Strukturen, die mit der zu behandelnden Krankheit nicht im Zusammenhang stehen – also eine 'Wechselwirkung mit dem Mensch selbst' erzeugen." Den Patienten werde dadurch ein langwieriges und kostspieliges Ausprobieren verschiedener Medikamente erspart.

Während andernorts aufgrund der hohen Kosten Genotypisierungen nur bei Medikamenten mit schweren, genetisch bedingten Arzneimittelwirkungen empfohlen werden, glaubt Wellan: "Genetische Vortests verursachen selbstverständlich Kosten", diese würden durch die Einsparungen aufgrund der gezielten Therapie aber aufgewogen. (bere, 4.7.2016)