Gut so: Der Brexit holt das Beste aus den Briten heraus. Seit Boris Johnson und Nigel Farage klargemacht haben, wo die Ursachen für alle Probleme Großbritanniens liegen – im Ausland natürlich -, erleben wir auf der Insel einen schönen Zuwachs an unverdrucksten politischen Statements des kleinen Mannes.

Der teilt, heute noch lieber als gestern, brühwarm im Internet mit, was er von Muslimen hält (nämlich gar nichts). Oder er sprayt dem polnischen Installateur um die Ecke in der Nacht eine Grußbotschaft ans Schaufenster. Well done! Dass die Polen keine Guten sind, wird man wohl noch sprayen dürfen!

Der Brexit ist ermutigend. Erinnern wir uns an früher. Kaum kam einem damals eine etwas gewagtere Common-Sense-Aussage über die Lippen – Belgier brunzeln, Spanier stinken, Franzosen fäulen, Finnen fischeln (noch nie an einem Finnen gerochen?), Monegassen miachteln – wurde man umgehend vom Gutmenschenmob zum Goschenhalten aufgefordert. Sentimentales Gewäsch über "Völkerfreundschaft" und rassische Gleichwertigkeit machte die Runde, während die Vorteile des Ersten und des Zweiten Weltkriegs grotesk abgewertet wurden.

Zum Glück wird uns die bevorstehende Renaissance des Chauvismus charmante Neuigkeiten im grenzüberschreitenden Umgang miteinander bescheren:

  • Psychische Entspannung für die niedrigen Stände durch aufgewertetes Nationalgefühl. Seit zehn Jahren kein Plus auf dem Lohnzettel? Macht nix, Hauptsache, man ist kein Nigger!
  • Wiederbelebung von wertvollem, oft schon vergessen geglaubtem Wortgut: Frog, Kraut, Kanak, Tschusch, Tschingg, Schlitzaug, Schluchtenscheißer, Itaker, Piefke usf.
  • Komplexitätsreduktion durch großzügigere Generalisierungen: Unter hundert abartigen Albanern künftig nicht mehr den einen, womöglich nicht ganz abartigen herausfinden zu müssen dient einem erleichterten Weltverständnis. Dasselbe gilt für die Einschätzung brünstiger Bulgaren, nebbicher Neger, perverser Perser, rotziger Rumänen usf.

Profitieren werden vor allem wir Österreicher, weil: Mir san mir! Dass am Chauvinismus "nicht so sehr die Abneigung gegen die fremden Nationen als die Liebe zur eigenen unsympathisch" sei? Geh, hör auf, bitte! Einen solchen Satz konnte auch nur der alte Nestbeschmutzer Karl Kraus hinschreiben. (Christoph Winder, 2.7.2016)