Der zweite Wahlgang der Bundespräsidentschaftswahl muss wiederholt werden.

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Frage: Wie groß war das Ausmaß der Verfehlungen, mit denen der Verfassungsgerichtshof die Wiederholung der Präsidentenwahl begründet?

Antwort: Der VfGH stellte in 14 von 20 untersuchten Bezirken rechtliche Verstöße bei der Durchführung der Briefwahl fest. Insgesamt wurden in diesen 77.926 Stimmen per Brief abgegeben, der Vorsprung von Alexander Van der Bellen auf Norbert Hofer betrug in der Stichwahl nur 30.863 Stimmen. Die Rechtswidrigkeiten konnten vom Ausmaß her also durchaus Auswirkung auf das Wahlergebnis haben.

Frage: Hat der VfGH denn derartige Auswirkungen festgestellt?

Antwort: Nein, keiner der in einer peniblen Untersuchung befragten Zeugen nannte Anhaltspunkte für tatsächliche Manipulationen. Doch das ist laut VfGH unerheblich: Allein die Möglichkeit reiche laut ständiger Rechtsprechung aus, um die Wahl wiederholen zu lassen. Um jeden Missbrauch auszuschließen, sei das Gesetz rigoros anzuwenden.

Frage: Wie haben die Wahlbehörden das Gesetz verletzt?

Antwort: Es gab ein Sammelsurium an Verstößen. Ein entscheidender Fehler: Wahlkarten wurden ohne die vorgeschriebene Kontrolle durch die Beisitzer geöffnet oder ausgezählt.

Frage: Warum wird die Wahl nicht nur in jenen Bezirken wiederholt, in denen die Fehler passiert sind?

Antwort: Die Höchstrichter verweisen auf die praktische Undurchführbarkeit. Mit Wahlkarte kann man nicht nur per Post, sondern auch in Wahllokalen in- und außerhalb des eigenen Bezirks wählen. Eine selektive Wiederholung würde zu einer Vermischung der ausgezählten Stimmen führen. Manche Wähler kämen zu einer zweiten Stimme, andere würden um ihr Wahlrecht umfallen. Außerdem führt der VfGH noch ein Argument abseits der Behördenfehler ins Treffen: Der Grundsatz der freien Wahl sei verletzt worden.

Frage: Inwiefern?

Antwort: Der VfGH beanstandet, dass das Innenministerium im Laufe des Wahltages vor Schluss des letzten Wahllokals laufend Teilergebnisse der Auszählung an Medien und Forschungsinstitute weitergibt, damit diese Berichte oder Hochrechnungen vorbereiten können. Das ist seit Jahrzehnten so, nur hat sich bisher niemand darüber beschwert.

Frage: Warum soll diese Praxis problematisch sein?

Antwort: Weil manche Empfänger nicht dichthalten, werden die vertraulichen Informationen via Twitter und anderen sozialen Medien mitunter Allgemeingut. Das kann das Wahlergebnis beeinflussen: So könnten Hochrechnungen, die Hofer früh am Wahltag als klar Führenden auswiesen, potenzielle blaue Wähler in Sicherheit gewogen und vom Gang ins Wahllokal abgehalten haben, während motivierte Van-der-Bellen-Sympathisanten zu den Urnen strömten.

Frage: Wann soll die Wiederauflage der Stichwahl stattfinden?

Antwort: Unverzüglich, aber nicht in den Schulferien, gab VfGH-Präsident Gerhart Holzinger vor. Innenminister Wolfgang Sobotka wird im Ministerrat kommenden Dienstag einen Vorschlag machen, die Bundesregierung und der Hauptausschuss des Nationalrats werden über den konkreten Termin entscheiden. Das Gesetz gibt keine Frist vor, doch die nötige Vorbereitungszeit setzt Grenzen. Mit der Neuwahl ist deshalb wohl Ende September oder erst im Oktober zu rechnen.

Frage: Wer ist dabei wahlberechtigt?

Antwort: Dieselben Personen wie bei der aufgehobenen Wahl, sofern sie nicht verstorben sind. Stichtag für die Bundespräsidentenwahl war der 23. Februar, wer seither das Wahlalter erreicht oder die Staatsbürgerschaft erhalten hat, darf auch bei der Neuauflage nicht wählen. Wer inzwischen übersiedelt ist, bleibt am alten Wohnort wahlberechtigt – gegebenenfalls per Wahlkarte.

Frage: Amtsinhaber Heinz Fischer tritt aber schon am 8. Juli ab. Wer ist bis Herbst Präsident?

Antwort: Unter anderem Norbert Hofer: Die Nationalratspräsidenten Doris Bures, Karlheinz Kopf und eben Hofer übernehmen interimistisch das Amt als Kollegialorgan, als Nummer eins im Trio ist Bures die Sprecherin. Für Entscheidungen reicht es aber, wenn einer der drei Präsidenten im Land ist. Sind zwei da, sticht im Fall von Uneinigkeit der höhere Rang den niedrigeren – Hofer zöge als dritter Präsident also den Kürzeren.

Frage: Was, wenn einer der Kandidaten vor der Stichwahl ausfällt?

Antwort: Im Todesfall kann ein Ersatzkandidat nominiert werden, der Termin wird dann noch einmal nach hinten verschoben. Bei einem freiwilligen Verzicht geht das nicht. Die Wahl mutiert in diesem Fall zu einer Abstimmung über den verbleibenden Kandidaten, die Bürger votieren mit "Ja" oder "Nein". Hat das "Nein" die Mehrheit, wird die ganze Wahl von Neuem gestartet. (Gerald John, Conrad Seidl, 1.7.2016)