Im STANDARD zum Gespräch über ihre Arbeit und ihre Anliegen: Kulturbotschafterin im Einpersonen-Unternehmen Ümit Mares-Altinok, Melanie Wawra (in der Wirtschaftskammer Wien für den DiversCity-Preis zuständig), Hannah Lux (Vollpension), Gabriela Sonnleitner (Geschäftsführerin des Caritas-Hotels magdas) und Eva Zoufal (Diversity-Managerin bei Wiener Wohnen).

Foto: Regine Hendrich

"Wir leben in einer so spannenden Zeit. Kasterldenken geht nicht mehr, Altes bricht auseinander, funktioniert nicht mehr, es entsteht Platz für Neues. Das Neue ist noch nicht ganz da, aber an diesen Übergängen arbeiten wir."

Hannah Lux, Geschäftsführerin des Generationencafés Vollpension in Wien-Margareten, in dem Seniorinnen (und auch ein paar Senioren) an der Armutsgrenze oder mit Mindestpension aus ihrer Ausgrenzung und ihrem Alleinsein herauskommen, indem sie mit Jungen im Gastronomiebetrieb zusammenwirken und backen, formuliert ihr Tun im größeren Kontext.

Die 27-Jährige hat mittlerweile 31 Angestellte. Entstanden ist die Vollpension als Pop-up-Backstube, Geschick und wohl auch ein paar gute Fügungen – etwa der Sieg im Social-Business-Wettbewerb Ideen gegen Armut (Coca-Cola, Non-Profit-Institut WU und STANDARD) -, Auftritte beim Wirtschaftsforum in Alpbach und wohl ein großes Talent und Anliegen aller Beteiligten haben der Vollpension mittlerweile auch medial einen großen Platz als Vorbild für junge Unternehmen mit sozialen Anliegen geschaffen.

Kulturbotschafterin

Anliegen und Talent treiben auch Ümit Mares-Altinok an – bei ihr das Vernetzen von Menschen, die in völlig verschiedenen Kontexten leben. Die Österreicherin mit türkischen Wurzeln ist Kulturdolmetscherin und bringt als solche etwa Seniorinnen und Schülerinnen in Museen zum Austausch zusammen. Die Kunst, die Ausstellungsstücke, sind verbindender Träger. Kooperationen bestehen etwa mit einigen Museen in Wien. "Nicht die üblichen Verdächtigen typischer Inklusionsveranstaltungen" sind ihre Zielgruppe, sondern Menschen, die einander sonst nie begegnen würden und einander vermutlich deshalb in ihrem kulturellen und sozioökonomischen Kontext auch nicht verstehen oder im schlimmsten Fall vorurteilsbesetzt abwerten würden.

Prekäre Finanzlage

Die Vollpension kann nach Start mit Förderungen und Preisgeldern den laufenden Betrieb mittlerweile aus den Einnahmen decken. Obwohl, wie Hannah Lux sagt: "Soziale und finanzielle Ziele unter einen Hut zu bringen ist jeden Tag eine ziemliche Herausforderung." Man könne keine betriebswirtschaftlichen Benchmarks für Menschen, die nicht mehr gehen können, und junge Gastro-Fachkräfte legen.

Für Ümit Mares-Altinok war das vergangene Jahr "prekär". Gut, dass ihr Mann, der Vater ihrer beiden Buben, regelmäßig verdient. Die Auszeichnung beim DiversCity-Bewerb war der Schubs, der sie dazu brachte, als Einpersonenunternehmen weiterzumachen. Privat tut sie das sowieso: ein afghanischer unbegleiteter Minderjähriger ist in das Freizeitleben ihrer Buben integriert.

Magdas – Zweifel an Gemeinnützigkeit

Die Frage nach dem Weitermachen stellt sich Gabriela Sonnleitner, Geschäftsführerin von Magdas Hotel (Caritas) in Wien, das Menschen am Rand der Gesellschaft Ausbildung und Arbeitsplatz in Hotellerie und Gastronomie bietet, nicht. Aber dafür ringt sie beim Finanzamt um Anerkennung für das, was Magdas in Wien-Leopoldstadt tut, nämlich ohne Kosten für die Allgemeinheit dem Gemeinnutzen zu dienen.

Was Magdas will, nämlich dass Ausgeschlossene wieder Anschluss gewinnen – unter Anleitung von zehn Profis im Hotel -, klappt nicht immer, sagt Sonnleitner. Manchmal ist der Hunger nach Beschäftigung nach vielen Jahren des zur Untätigkeit Verdammtseins so groß, dass etwa eine anerkannte Asylantin mit Vergangenheit als Mathematikerin wohl in der Küche Töpfe waschen wolle, das aber nicht lange durchhalte. Trotzdem: "Arbeit ist die beste Integration. Deswegen sollten auch Asylwerber Beschäftigungsmöglichkeit haben, da geht es ja gar nicht um bezahlte Anstellungen. Aber um die Möglichkeit, Anschluss und Sinn zu erleben."

Offene Willkommenskulturen bauen

Oft, berichtet Eva Zoufal, Diversity-Managerin bei Wiener Wohnen, konkret für die 1400 Mitarbeiter in der Haus- und Außenbetreuung mit Herkunft aus 50 Nationen zuständig, sei die größte Hürde auch im Arbeitsprozess, dass die Menschen nicht aus ihren abgegrenzten Communitys herauskommen oder -können. Sie hat über Jahre Strategien, Events, Veranstaltungen und Diversity-Design entwickelt und implementiert, um das (erfolgreich) zu ändern. Eine der Herausforderungen: Nur 200 der 1400 sind via Mail zu erreichen, die Angebote brauchen sehr sensible Positionierung und niederschwelligen Zugang – auch weil die Arbeit selten Wertschätzung von außen erfährt und auch vor Ort im Gemeindebau keine gegebene Willkommenskultur herrscht.

Einigkeit am Tisch zu Melanie Wawra, die sich in der Wiener Wirtschaftskammer um DiversCity kümmert: Es kann nicht genug solcher Initiativen und Brücken über gesellschaftliche Gräben geben. Wir brauchen mehr davon. (kbau, 2./3.7.2016)