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Verbraucherschützer werfen Amazon Willkür und Intransparenz vor.

Foto: Reuters

In den vergangenen Monaten haben einige Fälle für Aufmerksamkeit gesorgt, bei denen der Onlinehändler Amazon Kunden aufgrund "außergewöhnlichen Retourenverhaltens" eine Kontosperrung angedroht oder diese durchgeführt hat. Erst zuletzt war ein Käufer betroffen, der von 19 georderten Waren im Jahr 2015 vier an den Händler zurückgeschickt hatte und deswegen verwarnt wurde.

Doch was passiert eigentlich, wenn der Konzern Tatsachen schafft und das Kundenkonto schließt? Der WebStandard ist dieser Frage nachgegangen und hat Konsumentenschützer um ihre Einschätzung gebeten.

Denn wer denkt, danach sei es einfach nur nicht mehr möglich, Einkäufe im weltgrößten Onlineshop zu tätigen, der irrt. Mit einer Sperre werden auch einige weitere Plattformen unzugänglich, dazu geht auch der Zugriff auf bereits gekaufte Digitalinhalte teilweise verloren.

Globale Sperre für Onlineshop, Geschenkguthaben verfällt

Wer etwa für Amazon Deutschland gesperrt wird, ist künftig nicht nur von Einkäufen im deutschsprachigen Portal ausgeschlossen. Auch Bestellungen bei Amazon UK, Amazon USA, Amazon Japan und den anderen regionalen Ablegern sind dann nicht mehr möglich. Amazon hält außerdem fest, dass vorhandenes Guthaben aus Geschenkguthaben nicht erstattet wird.

Gelöscht werden außerdem Forenkommentare, Rezensionen, selber hochgeladene Produktfotos und alle anderen Beiträge, die mit dem Nutzerkonto erstellt wurden. Gekaufte MP3s lassen sich weiterhin herunterladen, und zwar über den Umweg des Amazon Cloud Players.

Autorenzentrale, Partnerprogramm, Marketplace

Autoren, die eine eigene Präsentationsseite und einen eigenen Blog bei Amazon pflegen, verlieren diese und büßen somit auch an Sichtbarkeit ein. Auch die Mitgliedschaft beim Partnerprogramm, bei dem man durch Empfehlungslinks an Verkäufen mitverdient, wird storniert.

Wer selber Artikel über den Amazon Marketplace verkauft, muss sich eine andere Plattform suchen. Denn auch dieser ist dann nicht mehr zugänglich.

Hörbuch-Download nicht mehr möglich

Im Lauf der Jahre hat Amazon eine Reihe anderer Angebote integriert, die dann ebenfalls nicht mehr bereitstehen. Mit der Kontoschließung ist etwa auch der Filmverleih Lovefilm nicht mehr zugänglich. Ebenso kann der Bezahldienst Amazon Payments nicht mehr verwendet werden.

Ausgeschlossen wird man auch von Audible, einem Angebot für digitale Hörbücher. Hier kommt erschwerend hinzu, dass zuvor erworbene Inhalte ab der Schließung nicht mehr heruntergeladen werden können.

Ausnahme: Kindle

Nicht betroffen von der Sperre sind Kindle-Inhalte. Wer ein Amazon-Tablet, einen Amazon-E-Reader oder die Kindle-App nutzt, hat weiterhin Zugriff auf den eigenen digitalen Lesestoff. Auch der Erwerb neuer E-Books ist möglich.

Wichtig ist, dass diese Konditionen dann gelten, wenn die Sperrung durch Amazon erfolgt. Ersucht man als Nutzer selbst um Schließung des Accounts, gehen zusätzlich die Musikinhalte im Cloud Player verloren, ebenso wie alle nicht lokal gespeicherten Kindle-E-Books.

Scharfe Kritik an intransparenten Bedingungen

Konsumentenschützern ist Amazons Vorgehen schon länger ein Dorn im Auge. Kritik an der Kontensperrung aufgrund "außergewöhnlichen Retourenverhaltens" übt etwa das Europäische Verbraucherzentrum Österreich. Das sei nur im Fall von Missbrauch oder Betrug rechtfertigbar, da dem Kunden für online erworbene Waren eine zweiwöchige Rückgabe zusteht, die auch ohne Angabe von Gründen erfolgen kann.

Die Intention des Gesetzgebers hinter dieser Regelung ist, Kunden analog zum Offlinehandel die Möglichkeit zu geben, eine Ware auf Gefallen und Mängel zu inspizieren.

Unterlaufung des Widerrufsrechts

Dieses Recht wird nach Ansicht der Konsumentenschützer unterlaufen, da Amazon keinerlei Angaben dazu macht, welche Rücksendequote geduldet wird. Der Händler erklärt zwar, vor einer Sperre sorgfältig zu prüfen und nur dann Konten zu schließen, wenn das Verhalten eines Kunden deutlich von dem eines normalen Verbrauchers abweicht, jedoch gibt es keine Informationen dazu, welche Messlatte für den durchschnittlichen Konsumenten angelegt wird.

Die Geschäftsbedingungen seien hier intransparent, zudem erfolgen Sperren mitunter ohne Vorwarnung. Auch eine Einspruchsmöglichkeit wird einmal gesperrten Kunden nach einer Deaktivierung des Kontos nicht gewährt.

Verwehren bezahlter Inhalte und Leistungen "rechtswidrig"

Als "klar rechtswidrig" betrachtet man außerdem den Entzug von Guthaben sowie erworbener digitaler Inhalte und Dienstleistungen bei einer Sperre. Es sei nicht zulässig, etwa den Download von Hörbüchern unzugänglich zu machen, für die bereits bezahlt wurde. Gekaufte Inhalte seien entweder zur Verfügung zu stellen oder zu refundieren, Guthaben auszubezahlen.

Dem Europäischen Verbraucherzentrum liegt auch der Fall eines Kunden vor, dessen Konto aufgrund seiner Rücksendungen zwei Monate nach Abschluss eines kostenpflichtigen Prime-Jahresabos gesperrt wurde. Er verlor dabei nicht nur die Möglichkeit, auf der Amazon-Seite einzukaufen, sondern auch den Zugang zu den Video- und Musikinhalten, die über das Prime-Programm verfügbar sind. Amazon weigerte sich, ihm den Zugriff zu gewähren oder die Gebühr für den Dienst aliquot zu erstatten.

Erst nach Einschreiten der Verbraucherschützer erklärte sich Amazon bereit, den Fall erneut zu prüfen. Mittlerweile hat man zugesagt, das Konto des Betroffenen wieder zu öffnen.

Deutsches Gericht urteilte gegen Amazon

In diesem Bereich liegt auch schon Judikatur vor. Das Oberlandesgericht Köln hielt in einem ähnlichen Fall fest, dass Amazons AGB-Bestimmungen, die dem Konzern die Möglichkeit einräumen, den Zugriff auf bezahlte Digitalinhalte bei einer Sperrung zu unterbinden, nicht zulässig sind. Das Urteil vom 26. Februar 2016 (Fall 6 U 90/15) ist rechtskräftig. Präzedenzwirkung hat es allerdings nur für Deutschland, wobei sich österreichische Gerichte mitunter an deutscher Rechtsprechung orientieren. Ein Urteil gibt es hierzulande noch nicht.

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen rät betroffenen Kunden jedenfalls, auf dem Zugang zu bestehen, und bietet dafür auch einen Musterbrief an. Mit weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen von Kunden und Verbraucherschützern mit Amazon ist zu rechnen. (Georg Pichler, 12.7.2016)