Die amerikanische Journalistin Dardis McNamee hat sich sofort in ihre Wohnung unweit des Karmelitermarktes in Wien verliebt. Viele ihrer Möbel sind aus den USA. Und manches hat Kronprinz Rudolf gehört, glauben zumindest Besucher kurz.

"Wir waren zwei Jahre auf Wohnungssuche und haben unzählige Wohnungen besichtigt. Meine Kinder waren damals, in den 1990er-Jahren, Teenager, und ich habe sie immer mitgenommen. Sie haben rasch gelernt, dass sie, wenn ihnen eine Wohnung gefiel, so tun mussten, als wären sie total unbeeindruckt. Als wir also hier hereinkamen, entwich ihren Gesichtern plötzlich jedes Lächeln. Es war unglaublich. Da wusste ich, dass es die perfekte Wohnung ist.

"Einige Erinnerungen aus der Vergangenheit überleben und sie erzählen die Lebensgeschichte." Dardis McNamee im Wohnzimmer, umgeben von einigen ihrer Bücher.
Foto: Lisi Specht

Mir war die Lage wichtig: Ich wollte nahe dem ersten Bezirk wohnen, damit die Kinder in der Nacht sicher nach Hause kommen konnten. Auf dem Wohnzimmerteppich übernachteten oft ihre Freunde, die nicht so zentral wohnten. In der Früh riefen dann ihre Eltern an und fragten: Ist mein Kind bei euch? Sie waren alle hier.

Damals wollte unvorstellbarerweise niemand hier wohnen. Alle sagten, die Gegend sei tot. Daher war die Wohnung auch nicht so teuer. Heute könnte ich sie mir wahrscheinlich nicht mehr leisten. Aber ich hatte Glück und habe vor wenigen Wochen meine letzte Kreditrate zurückgezahlt.

Fotos: Lisi Specht

Irgendwann ist das Grätzel wieder zum Leben erwacht und schickimicki geworden. Ein Teil von mir ist darüber nicht glücklich. Früher gab es hier richtige Beisln wie auf dem Land. Sie sind fast alle verschwunden. Aber dafür gibt es nun ein Weingeschäft am Eck.

Die Wohnung ist 200 m² groß, ursprünglich war sie zweistöckig. Das obere Stockwerk haben wir aber mittlerweile in eine Wohnung umgebaut und vermietet. Damals brauchte ich eine Wohnung, die genug Platz bot, damit sich die Kinder nicht an die Gurgel sprangen.

Der Großteil der Möbel sind meine alten Sachen aus Amerika. Einiges hat schon meinen Eltern oder meiner Großmutter gehört. Ich hatte die Möbel sechs Jahre lang in einem Lagerraum in New York verwahrt. Das Schicken der Möbel war günstiger, als die Wohnung neu einzurichten. Sie wurden direkt durch das Wohnzimmerfenster geliefert.

Viele Leute sehen meine Wohnung zum ersten Mal und sagen: "Das ist New York." Die geschnitzten Sessel und den Esstisch habe ich aber im Dorotheum gekauft. Sie sind nicht sehr wertvoll, schauen aber toll aus. Manchmal erzähle ich Besuchern aber, dass sie einst Kronprinz Rudolf gehörten und in Mayerling standen. Dann glauben sie das für eine Minute und werden ganz ehrfürchtig.

Fotos: Lisi Specht

Meine Bücher sind mir besonders wichtig. Wenn man viel umzieht, verliert man gewisse Kapitel aus seinem Leben. Einige Erinnerungen aus der Vergangenheit überleben aber, und sie erzählen die Lebensgeschichte. Ich schaue mir meine Bücherregale an und weiß sofort, wann und in welcher Lebenssituation ich ein Buch zum ersten Mal gelesen habe.

Vor zwei Jahren habe ich wieder geheiratet. Wir sind sehr glücklich, aber es ist kompliziert, zwei Leben zusammenzufügen. Mein Mann hat sein eigenes Apartment, das mit einem Leben voller Gegenstände angefüllt ist. Wohin damit? Wir überlegen, wie wir Platz schaffen könnten. Man müsste wohl beide Wohnungen aufgeben und in einer leeren Wohnung neu anfangen. Aber ich würde diese Wohnung nie hergeben.

In die USA werde ich nie dauerhaft zurückziehen. Aber es ist großartig, den Sommer auf dem Anwesen meiner verstorbenen Mutter in New York zu verbringen. Wenn man sein Leben lang am Schreibtisch gearbeitet hat, dann tut es gut, mit den Händen anzupacken. Ich habe Traktor fahren gelernt und kümmere mich um die Pferde. Aber immer wenn wir nach Wien zurückkommen, sagen wir: Gott sei Dank sind wir wieder da." (4.7.2016)